Mikrofinanzierung und Mikrofinanzinvestitionen
Making Sense
Naoko Felder-Kuzu stellt im ersten Teil ihres Buches das Modell und die Geschichte der Mikrofinanz dar. Sie macht deutlich, dass mindestens eine Milliarde Menschen potenzielle Interessenten für Kleinstkredite sind.
8. April 2017, 21:58
Mohammed Yunus versuchte einige Jahre vergeblich, Banker davon zu überzeugen, Armen Kleinstkredite zu gewähren. Sie lehnten es immer wieder ab. Die Armen hätten keine Sicherheiten. Schließlich gründete Mohammed Yunus 1983 eine eigene Bank, die Grameen-Bank, das bedeutet Dorfbank. Im Jahr 2003 hatte die Grameen-Bank in Bangladesch über 2,5 Millionen Kreditnehmer. Die Rückzahlungsquote lag bei fast 99 Prozent und insgesamt hatte man über vier Milliarden US-Dollar an Krediten gewährt.
Mittlerweile ist die Grameen-Bank in über 40 Ländern vertreten und weltweit operieren 120 Kopien der Grameen-Bank. In Afrika oder Lateinamerika finden sich zudem zahlreiche andere Formen von Kleinkreditprogrammen.
Großer Finanzbedarf für Mikrokredite
In nur drei Ländern - Bolivien, Bangladesh und Indonesien - erreichen Finanzdienstleistungen einen signifikanten Anteil der armen Bevölkerung. Rund 90 Prozent der Menschen in den Entwicklungsländern haben keinen Zugang zu institutionellen Finanzdienstleistungen, seien es Kredite oder Sparprodukte.
Man schätzt den ungedeckten Finanzbedarf für Mikrokredite auf mindestens 225 Milliarden Dollar pro Jahr.
Damit die Mikrofinanzinstitutionen ihre Reichweite verbessern können, dürfen sie nicht von Regierungs- oder Gebermitteln abhängig sein. Sie müssen selbsttragend und in der Lage sein, auf den kommerziellen Märkten Kapital zu beschaffen oder ihren Kapitalbedarf durch Vergrößerung des Sparvolumens zu decken.
Viele Vorteile
Im zweiten Teil von Naoko Felder-Kuzus Buch geht es um Mikrofinanz-Investitionen, also darum, wie die Organisationen, die die Kredite vergeben, zu ihrem Kapital kommen. Und hier geht es auch um die Menschen in den Industrieländern.
Für viele Menschen in der industrialisierten Welt hat Mikrofinanz scheinbar keinen Bezug zur Alltagswirklichkeit. Theoretisch sollten wir uns alle für Mikrofinanz interessieren, hilft sie doch, die Welt, in der wir leben, und die Welt, die wir zukünftigen Generationen hinterlassen, zu verbessern.
Für Naoko Felder-Kuzu bietet die Mikrofinanz eine ganze Palette von Vorteilen: Sie reduziert die Armut, fördert das eigenverantwortliche Handeln sowie den Unternehmergeist, und sie schafft einen verbesserten Kapitalfluss.
Auch Kleinvieh macht Mist
Längst haben internationale Finanzdienstleister erkannt, dass Kleinvieh auch Mist macht, sprich: dass man auch mit vielen kleinen Kreditnehmern großes Geld verdienen kann. Die Autorin stellt die Institutionen vor, die auf den globalen Kapitalmärkten Geld einsammeln und es den Kleinkreditgebern gegen Zinsen zur Verfügung stellen. Über 50 spezielle Fonds stehen Investoren oder Privatleuten zur Auswahl. Wer in einen Kleinkreditfonds investiert, will natürlich über die finanzielle Rendite informiert sein und gleichzeitig darüber, welchen sozialen Nutzen seine Investition bringt.
Die soziale Rendite lässt sich nur schwer messen, da sie sich aus vielen Dominoeffekten und schwer messbaren Langzeitfolgen, wie beispielsweise besserer Ernährung der Familie oder besserer Ausbildung, zusammensetzt.
Gutes Serviceangebot
Für Menschen, die mit dem Gedanken spielen, Geld für Mikrokredite zur Verfügung zu stellen, hält die Autorin einen Überblick über verschiedene Investitionsmöglichkeiten, Fondsporträts und zahlreiche Internetadressen bereit.
Hier setzt auch die Kritik ein, denn den ersten vorgestellten Fonds verwaltet ausgerechnet die Schweizer Vermögensverwaltungsgesellschaft, für die die Autorin Naoko Felder-Kuzu arbeitet. Obwohl sie diese Absicht ausdrücklich verneint, vermittelt das Buch über weite Strecken den Beigeschmack eines Verkaufsprospekts. Und es wird verständlich, warum keiner der negativen Aspekte von Kleinstkrediten zur Sprache kommt.
Die Stärke des Buches liegt im Serviceangebot, wer jedoch eine umfassende Darstellung des Themas Mikrofinanz sucht, wird enttäuscht werden.
Buch-Tipp
Naoko Felder-Kuzu, "Making Sense. Mikrofinanzierung und Mikrofinanzinvestitionen", aus dem Englischen von Nikolas Bertheau, Murmann Verlag, ISBN 3938017295