Reportage aus Syrien

Die Drusen

Sie erscheinen als eine Mischung aus Islam und Christentum. Sie folgen dem Koran aber gelten manchen Muslimen sie bis heute als Häretiker. Drusen tragen ihre Religion nicht außen, gelten sie zugleich als geheimnisvoll und tolerant.

Drusen leben hauptsächlich im Libanon, Syrien und Israel. Die syrischen Drusen leben mit verschiedenen Religionen und unzählige Konfessionen in friedlich Koexistenz. Die Drusen - sehr viele leben in der Stadt Sweida - sind eine verschwindende Minorität: 90 Prozent der Syrer sind Muslime, die meisten von ihnen Sunniten, aber es gibt auch Schiiten, Ismaeliten und Alawiten.

Die zehn Prozent Christen teilen sich auf in Katholiken, Orthodoxe, Armenier, Maroniten und Protestanten. Religiöse Toleranz ist in Syrien selbstverständlich, zumindest nach außen. Das war nicht immer so. Vor 1000 Jahren, als die Drusen in diese Gegend kamen, waren sie auf der Flucht. Denn sie hatten sich Anfang des elften Jahrhunderts vom Islam abgespalten.

Eine muslimische Konfession

Die Drusen sind in Syrien gut etabliert und gesellschaftlich integriert; sie arbeiten im Staatsdienst, in der Wissenschaft, in der Privatwirtschaft. Allerdings wissen Freunde und Kollegen oft nicht, dass sie es mit Drusen zu tun haben, denn diese behalten ihre Religion für sich.

Diese Verschlossenheit habe mit der Entstehungsgeschichte der Drusen zu tun, sagt der drusische Scheich Hamoud Al Hajari. Sie beginnt 1017, als Kalif Hamza Ibn Ali in Kairo den tauhid gründete, die drusische Form des Monotheismus. Hamza Ibn Ali herrschte damals über das Reich der Fatimiden. Er war kein Prophet, sondern ein kluger Gelehrter, erklärt Scheich Hamoud. Sein Zeil war keine neue Religion. Er habe für einen bestimmten Weg innerhalb des Islam geworben und habe den Islam nicht verlassen.

Selbst- und Fremdbild

Hamza Ibn Ali ist als bescheidener und wissbegieriger Kalif in die Geschichte eingegangen. Er soll auf einem Esel durch Kairo geritten sein und sein Reich von der Bibliothek in Alexandria aus regiert haben. Dort versammelte er Philosophen und Wissenschaftler um sich, las und studierte den Koran und interpretierte ihn neu.

Seine Anhänger nannten sich muwahidun - wörtlich "die an die Einheit Gottes glauben", was als "Monotheisten" übersetzt werden kann. Die Bezeichnung "Drusen" ist dem Religionswissenschaftler Nabih Al Saadi zufolge ein tragischer Irrtum der Geschichte, ist sie doch die Fremdbezeichnung der muslimischen Gegner aus der Zeit der Entstehung dieser Konfession.

Heilige Schrift im Verborgenen

Die hikme, die heilige Schrift der Drusen, war bis vor kurzem käuflich nicht zu erwerben, sondern nur in handgeschriebenen Kopien. Was in der hikme steht, wissen nur die religiös Eingeweihten, Menschen wie Scheich Hamoud. Der 57-jährige Imam eines drusischen Stadtteils von Damaskus erklärt, dass die hikme Briefe und Schriften von Hamza Ibn Ali enthält, dem Fatimiden-Kalifen, und anderen Gelehrten.

Die hikme sei keinesfalls das Wort Gottes, sondern lediglich die menschliche Interpretation des göttlich inspirierten Koran, so Scheich Hamoud. Deshalb gehörten die drusischen Monotheisten genauso zum Islam wie andere Richtungen, die Schiiten zum Beispiel. Freilich hat die drusische Religion ihre Besonderheiten - z.B. glauben die Drusen an Reinkarnation, und das Begräbnis ist eine der wichtigsten Begebenheiten im Leben eines Drusen.

Auch wenn die Drusen mittlerweile über die ganze Welt zerstreut sind, halten die alten Bräuche die Gemeinschaft bis heute zusammen.

Mehr dazu in Ö1 Programm