Ein Nachruf

Die Wiener Buchhandlung Weiss muss schließen

"Jede Buchhandlung hat ihren Anfang und ihr Ende. Ende Mai beendet die Buchhandlung Weiss ihre Tätigkeit! Schon jetzt großer Bücherausverkauf", steht an der Tür. Wiens Spezialbuchhandlung für südslawische Literatur schließt ihre Tore - mangels Publikum.

Wien ist eine Stadt der Buchhandlungen. Nach Auskunft von Michael Kernstock, Fachgruppenobmann der Buch- und Medienwirtschaft Wien, werden in der Bundeshauptstadt mehr Buchhandlungen eröffnet als geschlossen. Von den derzeit über 280 Buchhandlungen in Wien, die ein klassisches Buchsortiment führen, befinden sich über 70 im ersten Bezirk.

Neben manchen Schließungen gibt es aber immer wieder Neugründungen und Neuübernahmen. Ebenso gibt es Buchhandlungen in Wiener Einkaufszentren, die nicht zu den großen Ketten zählen.

Wien hat damit im deutschsprachigen Raum die größte Buchhandelsdichte, auf die Bevölkerung bezogen. Um so erstaunlicher ist es, dass nun eine hoch spezialisierte Buchhandlung ihre Pforten zuschließt.

Der Anfang

Der Name Ljubo Weiss und seine Buchhandlung im 8. Wiener Bezirk ist allen in Wien, die sich für südslawische Literatur und den dazugehörigen Themen interessieren, gut bekannt. Ljubo Weiss hat sein Publikum persönlich betreut - vor Ort. In den letzten 15 Jahren war er auf nahezu allen einschlägigen Veranstaltungen, Theatervorstellungen und Konzerten präsent. Auf einem Holzbrett hat er seine Bücher und CDs ausgestellt und dort, wo er erwartet hat, seine Käufer zu finden, war er immer persönlich anwesend. Noch bevor er eine eigene Buchhandlung betrieb, hatte er dieses Verkaufsbrett.

Ljubo Weiss war ständiger Gast auf vielen Wiener Flohmärkten. In den neunziger Jahren, zur Zeit der Kriege im ehemaligen Jugoslawien hat man ein gutes Gefühl für die Bücher gebraucht. Weil er in seinem Angebot die Bücher aller südslawischen Völker gehabt hat, musste er sehr vorsichtig mit der Auswahl der Bücher sein. Ein "falsches" Buch auf einem "richtigen" Ort, wie zum Beispiel ein Buch auf kyrillisch auf einer moslemischen oder kroatischen Veranstaltung, konnte bedrohliche Konsequenzen haben.

Ljubo Weiss konnte nicht begreifen, dass man die Kriege auch mit den Büchern führt. Aber seine "Ungeschicktheit" hat ihm viele andere Freunde gebracht. Seine kleine Buchhandlung in der Schlösselgasse 24 war ein Treffpunkt der Literaten aus allen südslawischen Ländern. Er organisierte Lesungen und hat sich damit einen guten Namen erworben.

Das Ende

Zur Blüte kam seine Buchhandlung in den Jahren zwischen 1994 bis 2000. Die Leute, die nach Wien geflohen oder aus dem ehemaligem Jugoslawien ausgewandert sind, haben Deutschkurse gebraucht und die Deutschsprachigen haben sich für die Problemregion interessiert und später haben sie auch die Sprachen zu erlernen versucht. Nach 2000 ist das Interesse kleiner und kleiner geworden.

Heute ist Ljubo Weiss am meisten von den etwa 120.000 ehemaligen Mitbürgern aus Jugoslawien, die in Wien leben, enttäuscht. Deren Desinteresse für die Literatur ihrer ehemaligen Heimat ist für ihn das traurige Zeichen einer vollständigen Integration.

Die Geografie des Interesses

Süd-Osteuropa ist seiner Meinung nach aus dem Interesse der Weltöffentlichkeit veschwunden. Die Blicke richten sich anderen Gebieten zu, wie etwa der Türkei, dem Iran und dem Irak...

Wie immer ist es doch traurig, dass wir eine spezialisierte Buchhandlung verlieren. Vielleicht liegt der Grund beim Herrn Weiss selbst und vielleicht ist das auch besser so. Das könnte darauf hindeuten, dass sich die Lage in den ehemaligen Jugoslawischen Staaten irgendwie doch beruhigt hat - alles nach dem Spruch: "Keine Nachricht, gute Nachricht!"

Und wenn das Interesse nach den Büchern aus dem Gebiet doch genug stark ist, ist zu hoffen, dass eine andere Buchhandlung die Rolle, die nach Herr Weiss offen geblieben ist, übernehmen wird.

Tipp
Buchhandlung Weiss, Wien 8., Schlösselgasse 24, noch bis Mitte Juni geöffnet.

Link
Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft