Freude am Genuss

Raffinement der Nuancen

Sie wollen abnehmen, ohne sich zu kasteien? Wollen Sie gleichzeitig Ihren Geschmacksnerven eine Freude machen? Dann lassen Sie sich auf die persische Küche ein! Sie kommt fast ohne Fleisch aus (ist also gesund) und schmeckt! schmeckt!! schmeckt!!!

Vielleicht steckt die Scheu dahinter, Tiere zu töten. Vielleicht ist es das traditionell tiefe Misstrauen gegen unreines Tierblut. Vielleicht ist es aber auch uraltes Wissen, dass die Heilkräfte von Mutter Erde in den Pflanzen verborgen sind. Tatsache ist: Die traditionelle persische Küche kommt fast ohne Fleisch aus. Und dass im Wesentlichen Lammfleisch gegessen wird, hängt auch wieder mit einem alten Aberglauben zusammen: Die Ärzte der frühen Jahrhunderte waren davon überzeugt, dass die Eigenschaften des verzehrten Tieres auf den Menschen übergingen. Und das Lamm ist nun mal in fast allen Kulturen das Sinnbild der Unschuld.

Balance aus Warm und Kalt

Überhaupt spielt das Nachdenken über Essen gerade in Persien (oder dem Iran, wie man seit 1936 sagt) eine große Rolle. Erstens ist Nahrung eine Gabe Gottes, also muss sie langsam genossen werden. Und zweitens ist Essen ein heiliger Akt, der mithilft, das Gleichgewicht der Welt aufrecht zu erhalten. Das hört sich verrückter an als es ist. Für persische Köche gilt: Jedes Nahrungsmittel ist in seiner Wirkungsweise entweder "warm" - Dattel, Feige, Nüsse, Trauben, Melonen - oder "kalt" - Salat, rote Rüben, Pflaumen.

Da auch die Menschen eine entweder "warme" oder "kalte" Natur besitzen, holen sie sich essend, im Genuss, was ihnen zur Balance fehlt: Die eher "Kalten" essen "Warmes" und umgekehrt und sorgen so in sich und überhaupt für ein gesundes Gleichgewicht - wobei die Parallele zu Gut und Böse ganz nahe liegt. Ein guter Koch achtet daher auf die individuellen Bedürfnisse seiner Esser und bereitet die Speisen so zu, dass er die positiven Wirkungen verstärkt. Philosophie zum Essen...

Verbeugung vor der Individualität

Auch in der Behandlung der Zutaten findet sich Philosophisches: Den Eigengeschmack jedes Lebensmittels zu unterstützen, mit Hilfe zarter Würzung hervorzuheben, die sanfte Kombination geschmacklicher Nuancen, das ist wie eine Verbeugung vor der Individualität. Und damit das Festessen nicht nur einer Geschmacksvariante huldigt, werden alle Gerichte gleichzeitig auf den Tisch gebracht: Der eigenbestimmte Wechsel zwischen den Geschmackswelten ist seit jeher der Kick persischer Kochkunst.

Damit die Gegensätze nicht zu heftig aufeinander prallen, gibt es Häppchen zum Neutralisieren oder Reaktivieren der Geschmacksnerven: verschiedene Kräuter, Radieschen, Staudensellerie, Frühlingszwiebel, oder Reis, Fladenbrot, pikante Saucen (haben Sie je die dunkle Granatapfel-Walnuss-Sauce gekostet?) oder die heute als Chutneys (ja, die kommen ursprünglich aus Persien) bekannten Fruchtkombinationen.

Traditionelle Gewürze? Safran, Kardamom, Zimt, Sumach, Kurkuma oder Gelbwurz, grüner Koriander, Essig. Und Würzmischungen, die aus Muskat, Koriander, Zimt und getrockneten Rosenblättern für Reisgerichte oder aus verschiedenen Pfeffersorten, Muskat, Kardamom, Koriander, Zimt und Kurkuma für Gemüse-Fleisch-Eintöpfe bestehen. Gerne wird mit Rosenwasser gewürzt. Granatapfelsaft, Walnüsse und Joghurt sind ebenfalls unverzichtbare Zutaten.

Küchengeheimnisse

Es gibt wenige Kochbücher, was damit zu tun hat, dass die Araber über Jahrhunderte die persische Schrift und Sprache unterdrückten. Und auch damit, dass Familiengeheimnisse auch in der Küche eine besondere Aura verbreiten. Die arabischen Eroberer sind übrigens der Grund, weshalb im Iran kaum Kaffee getrunken wird: Man hielt sich vom Lieblingsgetränk der Eroberer fern und kultivierte Tee in allen Variationen. Und auch der Untergang der 2000 Jahre alten Kunst des Weinmachens fiel der neuen Religion zum Opfer, lediglich die Shiraztraube hat bis heute überlebt.

Der Politik ist zu verdanken, dass die iranische oder persische Küche immer mehr Freunde findet: Viele im Exil lebende Iraner kochen aus Freude oder von Berufs wegen. Und wenn Sie noch nie die Freuden eines persischen Essens erlebt haben, fassen Sie Mut, Sie werden's nicht bereuen!

Service

Parvin Vormweg, "Persisch kochen", Gerichte und ihre Geschichte, Edition diá, Verlag Die Werkstatt