Chamäleonhaftes Anpassen

Die Sprache des Politischen

Politiker appellieren an die Emotionen ihres Publikums, sie buhlen um seine Zustimmung und sie werben für ihre Überzeugungen - im Wesentlichen in und durch die Sprache. Sprache ist nicht nur irgendein Instrument der Politik.

"Sprache ist nicht nur irgend ein Instrument der Politik", schreibt der Sprachwissenschaftler Heiko Girnth - "sondern die Bedingung ihrer Möglichkeit". Und "das Element, in dem der Beruf des Politikers sich vollzieht" - dabei sind es verschiedene Sprachen, die ein(e) Politiker(in) verstehen und beherrschen muss: die von Gewerkschaftern, Managern und Pensionisten, von Bauern, Universitätslehrern und Krankenschwestern.

Politische "Sprach-Chamäleons"

Die Beherrschung mehrerer Soziolekte ist ein maßgeblicher Faktor für den Erfolg oder Misserfolg einer Politikerlaufbahn, ist der Sozial- und Meinungsforscher Günter Ogris vom Institut SORA überzeugt.

Karrierepolitiker lernen diese "Mehrsprachigkeit" von der Pike auf - Quereinsteiger, etwa aus der Wirtschaft, müssen sie sozusagen in Crash-Kursen meistern. Das chamäleonhafte Anpassen an die jeweilige Umgebung, das Politikern oft nachgesagt bzw. vorgeworfen wird, ist unverzichtbar, wie das Übersetzen zwischen Bevölkerungsgruppen, die kaum eine gemeinsame Sprache zu sprechen scheinen - es gilt, das Gemeinsame herauszufiltern.

Arbeit mit Fokusgruppen

"Die" Sprache des einfachen Mannes gibt es nicht. Um Volkes Stimme zu erfassen, arbeitet die Politik - wie auch die Werbung - mit so genannten Fokusgruppen: nach Alter oder Beruf zusammengesetzten Gruppen mit bis zu zehn bis zwölf Personen, die zu vorgegebenen Themen diskutieren.

Aus der Auswertung der Videoaufzeichnungen gewinnt man Aufschlüsse darüber, welche Themen welchen Menschen besonders am Herzen liegen - welche Emotionen sie hervorrufen, aber auch, wie verschiedene Einstellungen in Worte gekleidet werden.

Welcher "Sager" ist der Beste

Politische Kommunikation ist keineswegs nur ein Top-down-Prozess, sagt die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak von der Universität Lancaster: aus Fokusgruppen etwa werden Anregungen für die Gewichtung von Wahlkampfthemen oder Slogans übernommen; umgekehrt kann man so abtesten, wie bestimmte Formulierungen ankommen.

Doch bei weitem nicht alles, was Politiker sagen und schreiben, wird von zuerst von der Meinungsforschung geprüft - dazu fehlt es an Zeit und Geld. Das meiste Feedback erhalten Politiker bei öffentlichen Reden, in Diskussionen und informellen Treffen. Welche Passagen erhalten den meisten Applaus, welche keinen? Welche "Sager" schaffen es in die Nachrichtensendungen?

Alle sollen erreicht werden

Um jede Überschrift, um jedes Bild und jedes "Soundbite" wird gekämpft - mitunter auch mit dem Mittel spektakulärer, verbal aggressiver oder nicht fundierter Aussagen. In Rhetorik-Trainings werden Politiker geschult, auf jeden Fall ihre Botschaft anzubringen -egal, was die Frage war.

Dahinter steht ein kaum lösbares Dilemma der politischen Kommunikation. Während etwa 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung regelmäßig das politische Geschehen verfolgen, liegt die Wahlbeteiligung um rund 30 Prozent höher. Um auch zu diesen 30 Prozent durchzudringen, müssen Slogans und Inhalte beharrlich wiederholt werden - bis zum Überdruss der anderen.

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

Für Schulen hat Österreich 1 gemeinsam mit dem Unterrichtsministerium ein eigenes Download-Angebot entwickelt.

Tipp
Einen Beitrag von Peter Filzmaier zur Zielsetzung von politischer Bildung finden Sie in science.ORF.at