Was von außen auf uns einstürzt

Reisende Sterne

Meteoriten sind Festkörper, die nach einer Milliarden Kilometer langen Reise durchs All letztendlich - zumindest Bruchstücke davon - auf der Erde aufschlagen. Ein Buch beschäftigt sich nun literarisch, wissenschaftlich und philosophisch mit dem Phänomen Meteorit.

Die in Wien lebende Schweizer Medienkünstlerin Nives Widauer war anlässlich von Dreharbeiten im Meteoritensaal des Naturhistorischen Museums von den "reisenden Boten" aus der Entstehungszeit der Planeten tief beeindruckt. Sie entschloss sich, ein Buch zum Thema "Was von außen auf uns einstürzt" herauszugeben und bat Künstlerkollegen, Philosphen, Wissenschafter und Autoren, sich Gedanken zum Phänomen "Meteorit" zu machen.

30 ganz unterschiedliche Textbeiträge, die sich literarisch, wissenschaftlich und philosophisch mit den außerirdischen Fremdkörpern auseinandersetzen, sind nun in dem Buch "Meteoriten" versammelt. Nives Widauer hat eigenen Fotoarbeiten, die eine verfremdete Sichtweise auf Alltägliches vermitteln wollen, zu dieser Veröffentlichung beigesteuert.

Die neu entstandene Bilderserie Meteoriten, folgt dem umgekehrten Prinzip der echten Steine des Himmels: Die fremden Geschoße kommen von weit her, wirken aber sehr irdisch. Bei Nives Widauers Bildern dreht sich dieses Prinzip um: Hiesiges bekommt den "Look" des Außerirdischen oder unserer Vorstellung davon. Und so erscheinen Bewässerungsfelder in Arizona, Zungennerven, die Kaaba in Mekka und Luftaufnahme eines Golfplatzes völlig verfremdet und daher "außerirdisch".

Aus dem Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (1927)

"Unter der Bezeichnung Meteor fasst die Astronomie alle die leuchtenden und fallenden Himmelskörper zusammen, die im Volksglauben Feuerkugeln und Sternschnuppen genannt werden. (...) Für die Behandlung der Vorstellungen des Volksglaubens muss an dieser Trennung unbedingt festgehalten werden, da die an diese Erscheinungen sich anknüpfenden Glaubensvorstellungen hier keineswegs identisch sind. (...) Während sich an die Feuerkugeln (sie werden im Folgenden von uns als M.e bezeichnet) fast durchwegs böse Erwartungen knüpfen - was übrigens zweifellos mit den mancherlei Unglücksfällen beim Herabstürzen der Meteoriten zusammenhängt (...) hält man Sternschnuppenfall meist für ein Segen bringendes Zeichen. Daraus ergibt sich für uns die Notwendigkeit getrennter Behandlung von M.en und Sternschnuppen.

Wie eingewurzelt und traditionell die Angst vor dem Erscheinen eines M.s und dem darauf folgenden Meteoritenfall ist, mag eine alte Sage aus Schleswig-Holstein dartun. Anno 1345, so erzählt Müllenhoff, regnete es Feuer vom Himmel über das Meer glich Schneewolken; das Feuer war so heiß, dass es Steine und Holz verzehrte. Und das Entsetzlichste die Begleiterscheinung: Alle Leute, die den Rauch sahen, lebten nur einen halben Tag; die Leute aber, die auf dem Meer berührt waren, infizierten alles Volk da, wo sie hinkamen, so sehr, dass ein großes Sterben einsetzte; schon der bloße Anblick dieser Menschen soll den Tod zur Folge gehabt haben."

Gero Kurat: Entstehung der Meteoriten

Vom feinen interplanetaren Staub (0,001-0,01 mm) fällt etwa ein Partikel pro Quadratmeter und Tag. Meteore, erzeugt von millimetergroßen Meteoroiden, gibt es - weltweit gesehen - durchschnittlich alle 30 Sekunden, solche von zentimeter- bis metergroßen Meteoroiden ("Feuerbälle") vielleicht einen pro Tag. Reste der Feuerball-Materie, Meteoriten, finden sich nur einige wenige pro Jahr. Ereignisse vergleichbar mit jenen des Meteor-Krater-Einschlages (60m Projektildurchmesser, 1000m Kraterdurchmesser) sind alle 10.000 bis 20.000 Jahre zu erwarten, globale Katastrophen (verursacht von Objekten über 5km im Durchmesser) jedoch nur alle 20 bis 30 Millionen Jahre.

Pfarrer Edwin J. van Etten: Der Weihnachstmeteorit

Der früheste Bericht von einem Meteoriten stammt aus dem Jahr 1492, als einer im Elsass einschlug. Der größte bekannte Meteorit wiegt 36,5 Tonnen und wurde in Grönland gefunden. Der berühmteste Meteorit ist wohl der schwarze Stein in Mekka, der in die Wände der Kaaba eingebaut ist. Durch die Berichte von Livy und Plutarch und anderen frühen Historikern wissen wir, dass Meteoriten schon in lang vergangenen Zeiten verehrt wurden. Der Stadtschreiber von Ephesus bezieht sich wohl auf solch eine himmlische Ankunft als er notierte: "Männer von Ephesus, welcher Mensch ist denn, der nicht wisse, dass die Stadt der Epheser eine Pflegerin der großen Artemis und des vom Himmel gefallenen Bildes ist?" (Apostelgeschichte 19, 35)

Es ist ganz natürlich, sich vorzustellen, dass der Sternenhimmel die Heimat der Götter ist. Und wenn ein Stern herunterfällt, ist es dann nicht auch natürlich, diesen mit Ehren zu empfangen und ihm vielleicht einen Tempel zu bauen? Selbst wenn wir heutzutage weitgehend vom rauen astrologischen Aberglauben befreit sind, wer würde nicht erschauern, wenn ein Meteorit vor seiner Tür landet? Der Meteorit ist ein seltsamer, unirdischer Besucher aus Bereichen, die hinter unseren Grenzen von Zeit und Raum liegen. Meteoriten haben immer etwas Aufregendes und Faszinierendes an sich.

Bodo Hell: Sätze, wie sie fallen

wie sollte ich mir nicht wünschen, dass meinen fernen Lieben nichts Schlimmes zustoßen möge, sondern nur Gutes widerfahren, ach könnte sich doch in dieser und jener Person die geistige Verwirrung lösen, die seelische Gefährdung schwinden, die sie nicht zu sich kommen lässt, oder dürfen wir auch bei uns selbst solche irritierenden Symptome als erste Anzeichen eines Heilungsprozesses lesen.

Ursula Pia Jauch: Weswegen gelegentlich auch Kometen ganz meteorisch einschlagen können
Nicht alles, was sich da am Himmel bewegt, ist von derselben Natur und kennt die nämlichen Bewegungsgesetze. Vielleicht sind Meteoriten sogar - verglichen mit den Kometen - ganz irdische Dinge, die zwar von außen auf uns einfallen, danach aber, nach dem Herabfallen, nichts Transzendentes mehr an sich haben. Meteoriten lassen sich naturwissenschaftlich genau analysieren, normalerweise handelt es sich bei ihnen um Festkörper aus Silikat- oder Eisen-Nickellegierungen. Zwar kommen sie aus dem außerirdischen Raum, aber sie haben - sofern sie nicht im All verglühen - dann doch ein klares spezifisches Gewicht sowie eine präzise beschreibbare Fallgeschwindigkeit. Und wenn es dumm kommt, können sie in der Schlussphase ihres Erdenfalls eine menschliche Behausung oder gar einen menschlichen Kopf in Mitleidenschaft ziehen. Das nennt man dann einen Unfall, wenn auch einen reichlich exzentrischen.

Ausstellungs-Tipp
In der Galerie Hans Knoll, 1060 Wien, Gumpendorferrstr. 18, werden zurzeit die für das Buch entstandenen Bilder von Nives Widauer ausgestellt.

Buch-Tipp
Nives Widauer, "Meteoriten - Was von außen auf uns einstürzt", Niggli Verlag, ISBN 3721205340
Die obigen Texte sind diesem Buch entnommen.

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

Veranstaltungs-Tipp
Das Buch "Meteoriten" wird am 13. April um 18:45 Uhr in den Schausälen IV und V des Naturhistorischen Museums präsentiert.

Link
Nives Widauer
Universität Wien - Meteoriten