Wissenschaft im Dienste der Produkte

Das Schuhzentrum im Gehirn

Umfragen und Verkaufsstatistiken haben ausgedient. In Zukunft schauen die Marketing-Leute direkt in unser Gehirn, um zu sehen welche Produkte dort Bilder hinterlassen haben. Neuro-Marketing heißt der neue Trend aus Amerika.

Wie könnte es in den USA anders sein: das erste Testprodukt war Cola. Kein Wunder, dass mir gerade jetzt diese Meldung ins Auge springt. Fastenzeit! Und ich darf 40 Tage lang kein Cola trinken. Man quält sich ja sonst nicht.

Aber zurück zur Meldung: Der Neurowissenschafter Read Montague untersuchte Freiwillige, die Coca Cola und Pepsi tranken, ohne das Markenlabel zu sehen. Den meisten schmeckte Pepsi besser als Coca Cola. Das glaube mal wer will. Als den Testpersonen jedoch die Marke gezeigt wurde, war plötzlich der Coca Cola Geschmack überzeugender.

Was war geschehen?

Die beiden Getränke regten verschiedene Gehirnareale an, wie Montague mit seinem Hirn-Scanner, der "funktionellen Magnetresonanz-Tomographie", herausfand. Die Pepsi-Trinker regten ihr Belohnungszentrum im Gehirn an. Bei Coca-Cola wurde aber unter dem "Markeneinfluss" zusätzlich der "mediale präfrontale Kortex" angesprochen.

Der Vorderhirnlappen ist für höhere Denkprozesse zuständig. Geschmack ist nicht alles. Entscheidend war die Erinnerung und die Images, die Coca Cola mit der Marke mitlieferte. Die Menschen treffen also Entscheidungen aufgrund ihrer emotionalen Erinnerung. Das könnte weit reichende Folgen haben: was, wenn das ethische Verhalten einer Firma mehr Einfluss auf das Konsumverhalten hat als der Geschmack oder die Farbe des Packerls? Wird bald jedes Unternehmen seine eigenen Hirnforscher haben?

"Kaufen Sie den Playboy regelmäßig?"

Das kommt also heraus, wenn Hirnforscher Cola trinken. Sie nutzen Bild gebende Verfahren fürs Marketing und nicht für die Medizin. Und machen damit sichtbar, was sonst nur mühsam in Befragungen entlockt werden kann. Meistens erzählen die Befragten ohnehin nur, was sie glauben, dass der Befragte gerne von ihnen hören würde.

Mit dem Hirn-Scanner gibt es keine Ausflüchte mehr. "Kaufen Sie den Playboy regelmäßig?" Der mediale präfrontale Cortex lügt nicht. Hirnforscher arbeiten derzeit auch für Autohersteller. Die Porsche und Ferraris riefen bei den Testpersonen zum Beispiel Assoziationen zu Gesichtern hervor und sie regten dadurch das entsprechende Hirnareal für Gesichtserkennung an. Gibt es dementsprechend für Frauen auch ein Schuhzentrum im Gehirn? Oder ein Taschenareal?

Der Schalter im Gehirn

Die Psychologen suchen schon lange nach dem Schalter im Gehirn, den sie nach Belieben bei den Konsumenten aktivieren können. 1957 löste der amerikanische Marktforscher James Vicary eine regelrechte Massenpanik aus.

Vicary hatte in einen Film den Befehl "Trink Coca Cola!" geschnitten - so kurz, dass der Spot nicht mehr bewusst wahrgenommen werden konnte, aber dennoch die Steuerungszentrale im Gehirn erreichte. "Iss Popcorn!" soll den Verkauf von Popcorn im Kino um fast 60 Prozent gesteigert haben.

Der amerikanische Journalist Vance Packard war mit seinem Buch "Die geheimen Verführer" einer der massivsten Kritiker der unterschwelligen Werbung. Von ihm stammt übrigens auch der Spruch: "Reklame ist die Kunst, auf den Kopf zu zielen und die Brieftasche zu treffen."

Obwohl Vicary schon im Jahr 1962 eingestehen musste, dass sein Experiment keine Beweisdaten liefern konnte, gibt noch immer amerikanische Werbestrategen, die es zumindest versuchen wollen: im Jahr 2000 sollen die Republikaner in ihren Werbespot über die Bilder des Demokraten Al Gore das Wort "Rats" geschummelt haben.

Dazu gehört allerdings gesagt: Der mediale präfrontale Kortex ist auch das Hirnareal, das für das Verstehen von Witzen zuständig ist. Und ich hab jetzt nur noch 15 Tage bis zum nächsten Cola-Encounter.