Impressionen für Streichquartette

Rock goes Klassik

Fred Frith ist Musiker der Off-Rock-Szene und bekannt als E-Gitarrist und Komponist in den verschiedensten Bands. In den späten 90ern begann er mit dem Arditti-Quartett zu kooperieren und gönnte sich bald ein Streichervokabular, das über Post-Folk hinauswies.

Nicht einmal zwei Minuten lang ist der erste Satz aus einem Streichquartett von Fred Frith, eingespielt vom Arditti String Quartet.

Gewidmet ist dieses Quartett übrigens Iva Bittova, jener tschechischen Musikerin und Geigerin, die schon vor Jahrzehnten mit Leichtigkeit die Genregrenzen implodieren ließ, und für die Fred Frith diese volksmusikalisch angehauchten Miniaturen schrieb.

Ich erinnere mich an einen Interviewpartner, der mich in den frühen achtziger Jahren fragte, warum ich nicht ein Streichquartett komponieren würde und ich erinnere mich auch, dass ich ihm antwortete, keine solche unsinnige Frage zu stellen und warum ich das jemals tun sollte. Ich denke, nachdem ich das gesagt hatte und es gedruckt sah, fing es an, mich zu beschäftigen. Ein Teil meiner widerstrebenden Gefühle dieser Idee gegenüber hatte nichts damit zu tun, ob ich mich selbst als Rockmusiker sah oder nicht - aus diesem Grund habe ich mich musikalisch nie einschränken lassen - sondern mit einem gewissen Respekt vor der Geschichte. Ich war mit der Ehrfurcht vor Beethovens späten Quartetten und Bartoks fünftem und sechstem Streichquartett aufgewachsen, sie waren der Inbegriff von Perfektion. Die Idee, ein Streichquartett zu schreiben, bedeutete für mich irgendwie mit dem Bild eines "richtigen Komponisten", so wie ich es im Kopf hatte, zu konkurrieren. Ich mag Musik, die an der Grenze ist, die zerbrechlich und unvollendet klingt, in welcher musikalischen Sprache auch immer sie geschrieben ist.

"Allegory" für Streichquartett und E-Gitarre aus 2001 entstand für das Arditti-Quartett. Frith verwendet darin die Musiksprache der so genannten akademischen Avantgarde, um sie mithilfe schräger Gitarrensounds symbiotisch neu zu deuten.

Zu Allegory kann ich sagen, dass ich niemals für elektrische Gitarre und Streichquartett geschrieben hätte, wenn der Vorschlag nicht von Irvine Arditti gekommen wäre, denn ich mag das ganze Ethos um die Elektrikgitarre in der zeitgenössischen Musik wirklich nicht. Alles, was ich in Allegory mache, ist improvisiert, aber ich folge der Partitur, so dass ich beeinflussen kann, was ich entsprechend der Vorgabe des Geschriebenen tue, ohne davon eingeschränkt zu werden.

Der Manierismus als Experiment

Das Berliner Kairos Quartett hat das erste und das zweite Streichquartett von Georg Friedrich Haas auf CD eingespielt und dafür soeben den Preis der Deutschen Schallplattenkritik bekommen.

Wir weisen aus diesem Grund auf jenes Experiment hin, auf das sich das Kairos Quartett am kommenden Wochenende in Wien und Graz einlässt: mit dem Elektroniker und Experimentator Boris D. Hegenbart zusammenzuarbeiten, um ein schwieriges, ikonoklastisches Programm zu präsentieren.

In jeweils eigenen Konzerten steht auch noch Musik von Walter Feldmann sowie Isabel Mundry, Enno Poppe und Giorgio Netti auf dem Programm.

Von den letzten beiden Komponisten präsentierte das Kairos Quartett beim vergangenen Musikprotokoll in Graz neue Werke, die nun in Wien auf dem Programm stehen.

Sie skizzieren wunderbar den so intensiven wie manieristischen Kosmos dieser Formen aktuellen Streichquartettspielens: Enno Poppe lässt unter dem Titel dem Titel "Tier" tatsächlich - Verzeihung für den Kalauer - die Sau raus. Er schrieb ein kurzes, wildes Stück, das nichtsdestotrotz ziemlich komplex ist und auch so klingt und genau deswegen länger im Bewusstsein bleibt; und das nicht nur wegen seiner Schrägheit.

Der Italiener Giorgio Netti hingegen entwarf eine Art permanent sich veränderndes Klanggewebe. Seltsam, was sich da vor den Ohren der Zuhörer als Klangobjekt durch den Raum bewegt.

Der Eklektizismus offener Grenzen

Claude Vivier hatte schon in den siebziger Jahren ein Quartett komponiert, das aber kein Streichquartett ist. "Palau Dewata“, das heißt so viel wie "Die Insel der Götter“, enthält Stimmungen aus Bali, das er bereiste. Aber auch Kompositionstechniken, deren Effekte Claude Vivier dort hörte, inspirierten ihn. Und weil es ihm nicht um eine Eins-zu-Eins Übertragung klanglicher Effekte ging, blieb er konsequent und beließ die Instrumentierung des vierstimmigen Werks gleich offen.

"Any combination of instruments" heißt es, aber selbstverständlich sind dann noch einige Spielregeln angeführt, an die man sich beim Adaptieren halten muss. 2002 entstand eine Version für Streichquartett, die nun auch veröffentlicht wurde: Balinesische Musik eines kanadischen Komponisten, interpretiert von einem jungen kanadischen Streichquartett, dem Quatuor Bozzini aus Montreal.

Dieses Quartett beendet seine Platte mit einer strukturierten Improvisation von Malcolm Goldstein. Seit den 60er Jahren ist der Geiger Malcolm Goldstein am permanenten Neuerfinden seines Instruments und seiner eigenen Spieltechniken; aber auch der Techniken des semi-improvisierten Zusammenspiels mit anderen Musikern.

Er wirkte in mehreren der legendären Ensembles des New Yorks der 70er und 80er Jahre mit. Dabei entwickelte er seine eigene Serie von Stücken unter dem seither oft kopierten Titel "Soundings“ und schreibt natürlich auch für andere Musiker.

CD-Tipps
Fred Frith, "Eleventh Hour“, Arditti String Quartet und andere, Winter&Winter, CD 910 1032

Quatuor Bozzini, Claude Vivier, Malcolm Goldstein und andere, collection qb, CQB 0401

Veranstaltungs-Tipp
Kairo Quartett, Samstag, 5. März, 20:00 Uhr, Porgy und Bess in Wien und Montag, 7. März, 20:00 Uhr, Museum der Wahrnehmung in Graz

Links
Universal Edition - Georg Friedrich Haas
Fred Frith
Kairos Quartett
Porgy and Bess
Quatuor Bozzini
Museum der Wahrnehmung