Michael Kerbler im Gespräch mit Jakob von Uexküll

Der Mensch - ein Produktionsmittel?

Mit dem Verkauf seiner Briefmarkensammlung hat Uexküll das finanzielle Fundament für den alternativen Nobelpreis gelegt. Preisträger 2004: Bianca Jagger, der argentinische Biologe Raúl Montenegro, die russische Memorial-Bewegung

Jakob von Uexküll

Michael Kerbler: Auf jeder Zigarettenpackung befindet sich ein Hinweis auf die Schädlichkeit des Rauchens. Was halten Sie von einem Aufdruck auf der Benzinrechnung, etwa "Das Öl für diesen Treibstoff kommt aus Saudi Arabien und dem Irak. Folge des Verbrauchs sind hohe militärische Kosten und eine massive Schädigung der Erdatmosphäre?"
Jakob von Uexküll: Man müsste es prägnanter formulieren, aber das würde sicherlich zum Nachdenken anregen. Es gibt bereits Kampagnen in den USA gegen diese Benzin schluckenden großen Autos, die wie Jeeps aussehen, nach dem Motto "Welches Auto würde Jesus fahren?", weil man die Christen ansprechen will, dass es unverantwortlich ist gegenüber der Schöpfung. Aber man sagt auch, dass, wer solche Autos fährt, der gibt den Saudis Geld und die Saudis finanzieren den Terrorismus. Man bringt damit sicherlich Leute zum Nachdenken. Man provoziert Widerspruch. Und das ist, meine ich, auch sehr gut.

In der Schweiz gibt es diese Plaketten "Mein Auto fährt auch ohne Wald", was als Satire gemeint war. Erschreckend für mich war zu erfahren, dass Leute das völlig im Ernst gemeint gekauft haben. Dieses fehlende Nachdenken, dieser Glaube, dass man als Konsument der bessere Bürger ist - wenn man nicht genügend konsumiert, dann bricht die Wirtschaft zusammen, und außerdem füllt man mit Konsum seine existenzielle Leere. Denn wenn ich meine, dass die Grundwirklichkeit eine materielle ist, dann erfülle ich mich dadurch, dass ich möglichst viele materielle Güter anhäufe.

Was ist denn Ihrer Meinung nach die wirksamste Maßnahme, den Treibstoffverbrauch zu reduzieren?
Die wirksamste Maßnahme ist wohl der Preis von Öl und Benzin. Und gleichzeitig natürlich die Organisation eines funktionierenden Nahverkehrsnetzes. Wenn ich die Busse abschaffe und den Benzinpreis erhöhe, bleibt den Leuten trotzdem nur das Autofahren.
Unsere Wirtschaft ist ja nicht auf Öl gebaut, sondern auf billiges Öl. Und sobald die verbliebenen Förderländer merken, dass sie auf einer knapper werdenden Ressource sitzen, werden sie radikal die Preise erhöhen. Man wird einsehen, dass man etwas sehr Wertvolles hat, und das wird man so teuer wie möglich verkaufen. Das hat Präsident Chávez in Venezuela schon eingesehen, und deshalb versuchen die Amerikaner, ihn immer wieder los zu werden...
Und das ist das Problem: Die Zeit, die wir brauchen für den Übergang von einer Weltwirtschaft, die auf billiges Öl gebaut ist auf eine neue Wirtschaft... Da hat man so viel Zeit verplempert! Es hilft nicht, wenn ich irgendwo so ein Hybridauto oder ein Elektroauto produziere und als Beispiel eines erfolgreichen ersten Schrittes präsentiere -, die Massenumsetzung geht viel, viel zu langsam vor sich. Das wird zu großen sozialen Umwerfungen und wirtschaftlichen Krisen führen.

Jeder hat ja Angst davor, seinen Lebensstandard einzuschränken. Und jene, die die Aktienpakete besitzen, wollen für ihr investiertes Geld ihren Anteil, ihren "Share" haben. Wie agiert vernünftiger Weise eine nachhaltig operierende Gesellschaft zwischen diesen zwei Interessenspolen?
Das ist eine große Frage, auf die es viele Antworten gibt. Jeder einzelne kann mehr tun, als er oder sie schon tut. Aber zu allererst einmal müssen wir die Wahrheit reden...

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"Im Gespräch Vol. 7", ORF-CD, erhältlich im ORF Shop

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Alternativer Nobelpreis