Fluch oder Menschenrecht?

Die Zukunft der Arbeit

Die Umschichtungen der Arbeitswelt im Informationszeitalter haben zu einer Krise der Arbeit - oder genauer gesagt - der bezahlten Arbeit geführt. Dies beweisen nicht nur die steigenden Arbeitslosenzahlen. In Zeiten der Profitgier ist daher dringend ein Umdenken notwendig.

Der Psychologe Michael Kastner über die heutige Krise

In der Antike gab es die Schwerarbeit, die man Sklaven überließ, im Mittelalter war Arbeit gleichbedeutend mit Strafe als Folge des Sündenfalls. Mit dem Aufkommen des Merkantilismus und der Kapitalwirtschaft wurde sie zur Pflicht. Heute wird sie von Maschinen übernommen, und der Mensch wird zusehends zum Sklaven dieser modernen Entwicklung, die die Menschen überhaupt überflüssig zu machen scheint und in die Arbeitslosigkeit führt. Für die Zukunft scheint daher ein Umdenken unumgänglich.

Hausgemachte Krise?

Die Umschichtungen der Arbeitswelt im Informationszeitalter haben zu einer Krise der Arbeit oder - genauer gesagt - der bezahlten Arbeit geführt. In den letzten Jahren hat man daher immer wieder von einem Menschenrecht auf Arbeit gesprochen. Arbeit wird meistens nur als Produktions- und Erwerbsarbeit angesehen. Die vielen Tätigkeiten, die erforderlich sind, damit Menschen gut miteinander leben können, werden dabei ausgeblendet. Eine theologische Ethik der Arbeit muss daher damit beginnen, den Begriff Arbeit neu zu bestimmen.

Rentabilität wirklich der Weisheit letzter Schluss?

Arbeit als Mit-Schöpfertum des Menschen an der Schöpfung Gottes - das klingt schön, aber ob sich das rentiert? Denn Arbeit muss sich heutzutage auszahlen, muss sich rentieren, heißt es doch. Die steigenden Arbeitslosenzahlen und Werkschließungen en masse beweisen dies jedenfalls nur allzu deutlich: General Motors will den Standort auflassen, weil man woanders billiger produzieren kann. Im Herbst vor zwei Jahren wurde aus ähnlichen Gründen das Semperitwerk in Traiskirchen geschlossen. Jüngstes Beispiel einer Produktionskrise ist das Opelwerk in Bochum, wo 20.000 Arbeiter in den Streik getreten sind. Traurige Tatsachen. Aber kann es so weitergehen? Ist Profit das Allerheilmittel für die Zukunft der Arbeit? Ist Rentabilität wirklich der Weisheit letzter Schluss?

Menschen erster und zweiter Klasse

Fest steht: Tun wir so weiter wie bisher, dann gibt es bald eine sehr kleine Schicht sehr gut Verdienender, die sehr viel Arbeit und sehr viel Geld haben, und eine sehr große Schicht immer schlechter Verdienender - sehr viele Menschen, die zwölf und mehr Stunden am Tag in zwei oder drei schlecht bezahlten Jobs arbeiten müssen, um sich noch irgendwie durchbringen zu können. Erschwerend hinzu kommt noch, dass sich alles immer rascher ändert, und die Jobs immer komplexer und schwieriger werden. Aber wo sind die Alternativen? Gibt es überhaupt Auswege aus dieser besorgniserregenden Lage?

Neue Definition für Arbeit notwendig

Der Arbeitsbegriff muss neu definiert werden, sagen viele. Für Wolfgang Mazal, Professor für Arbeitsrecht in Wien, bestehe das Problem darin, dass mit Arbeit in unserer Gesellschaft auch sozialer Schutz - also Kranken- und Pensionsversicherung - vermittelt werde. Und darin liege ein Fehler:

"Wenn es uns gelingt, den Wert der Arbeit auch in anderen Kategorien auszudrücken, dann wäre eine klare Konsequenz, dass man auch für nicht in Geld bewertete Arbeit wie z. B. Familienarbeit, Hausfrauenarbeit sozialen Schutz vermittelt. Denn arbeitet nur derjenige, der seine Arbeitskraft an andere verkauft?"

Umverteilung dringend notwendig

Menschen brauchen eine ausgeglichene Balance zwischen der Tätigkeit 'bezahlte Erwerbsarbeit' und den anderen Tätigkeiten des Lebens, meint Michael Kastner, Professor für Organisationspsychologie an der Universität Dortmund, und spricht sich für eine Verkürzung und bessere Verteilung der Arbeitszeit aus. "Wer langzeitarbeitslos ist, dessen Gesundheit kostet zweimal so viel wie die eines Erwerbstätigen“, hat er errechnet:

"Wenn sich die Massenarbeitslosigkeit nicht beseitigen lässt, dann muss die vorhandene Arbeit umverteilt werden: Zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen, zwischen Alten und Jungen und eben auch zwischen Männern und Frauen. Also raus aus der alten Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern!"

"Männer gegen länger“

So heißt der offene Brief an deutsche Politiker und Gewerkschafter, den Anfang dieses Jahres 500 Männer unterzeichnet haben, vom Tischler bis zum Unternehmer. Auch Prominente wie der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach oder der Sänger Konstantin Wecker haben diesen Brief unterzeichnet. Darin wird unter anderem argumentiert, dass längere Arbeitszeiten nicht mehr Arbeit schaffen und angesichts der neuen Männerrollen einen gesellschaftspolitischen Rückschritt in die 50er Jahre bedeuten.

Arbeit ist ein Menschenrecht

Auch Adelheid Biesecker, Profesorin für Arbeitswissenschaft in Bremen, fordert eine Umverteilung der Erwerbsarbeit. "Die freie Zeit, die durch eine bessere Verteilung der Erwerbsarbeit gewonnen werden könnte, wird dringend woanders gebraucht: beispielsweise bei der Pflegearbeit oder für ökologische Arbeiten," sagt sie. Damit würden auf längere Sicht gesehen eine Menge neuer Arbeitsplätze geschaffen. Eine Umstrukturierung und Neudefinition der Arbeit und der Arbeitszeit würde aber auch eine Umstrukturierung des Einkommens nötig machen, folgert sie. Der soziale Schutz - also staatliche Rente, Kranken- und Arbeitslosenversicherung - wären für Biesecker eine Art Minimalvariante einer zukunftsfähigen Gesellschaft:

"Arbeit soll nicht nur sozialen Schutz bieten. An der Arbeit und dem damit verbundenen Einkommen hängt die Achtung, die man einem Menschen entgegenbringt. Arbeit schafft Würde. Arbeit ist ein Menschenrecht. Eine gute Verteilung der Arbeit ist Voraussetzung für das gute Leben in einer Gesellschaft."

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Männer gegen länger