Bass-Heroes von anno dazumal
Ohne Bass kein Jazz
Es gibt kaum ein anderes Instrument, das so vielseitig einsetzbar ist wie der Kontrabass, auch Bassgeige genannt. Als Soloinstrument zwar fehl am Platz, geht im Orchester ohne ihn fast nichts. Vor allem in Jazzorchestern klingen die Melodielinien ohne ihn leer und dürftig.
8. April 2017, 21:58
CD-Ausschnitt mit "Jimmy" Woode
"Ohne Bass kann man eigentlich nicht Jazz spielen", hat einmal ein prominenter Jazz-Kontrabassist gesagt. Der legendäre Chef einer Zigeunerkapelle der Zwischenkriegszeit, Kocze Antal, hat es noch drastischer ausgedrückt: "Ohne kontrapunktischem Charakter der Bassfunktion klingen die Melodielinien leer und dürftig."
Der Tuba-Ersatz
Der Kontrabass ersetzte gegen Ende der 20er Jahre die im klassischen Jazz übliche Tuba als tiefstes Instrument. Er wurde zunächst als "Slap Bass" perkussiv gespielt. Der Swingstil entwickelte dann eine selbstständige melodische Linienführung, quasi eine Gegenstimme zur Melodie. Darüber hinaus hatte der Bass die Funktion des Beat und war damit Stütze des rhythmischen Geschehens.
Ab dem modernen Jazz der 50er Jahre wurde der Bass häufig auch solistisch eingesetzt, besonders seit die elektrische Verstärkung ihn akustisch besser hörbar machte.
Die Haute Volée der Jazz-Bassisten
Zu den wichtigsten Bassisten des Jazz gehörten Ray Brown, Oscar Pettiford, Jimmy Blanton, Charles Mingus und vor allem auch James Bryant "Jimmy" Woode. Letztgenannter, geboren am 23. September 1929 in Philadelphia, studierte an der University in Boston und hatte das Glück, schon in jungen Jahren mit einigen ganz Großen des Jazz Musik machen zu können: nämlich mit Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan oder Charlie Parker.
Ein Musiker mit Teamgeist
Von 1955 bis 1959 gehörte James Bryant Woode dem Orchester von Duke Ellington an. Der "Graf" meinte schon damals über ihn:
"Ganz gleich, in welcher harmonischen oder melodischen Richtung wir uns bewegten. Jimmy Woode war immer schon da. Es entging ihm einfach nichts. Er war ständig im Einklang mit unserer Musik, und ich begann, seinen wahren Wert zu erkennen. Er gehörte zu den Musikern mit Teamgeist, denen es nicht in erster Linie darum geht, ihr Licht leuchten zu lassen, sondern alles zu geben, was in ihnen ist."
Im Sextett von Erich Kleinschuster
Als "Jimmy" Woode 1960 nach Europa übersiedelte, gab er der Szene diesseits des Atlantik unschätzbare Impulse. Er entfaltete Aktivitäten von Stockholm bis Amsterdam und von Köln bis München. 1968 holte Erich Kleinsschuster den Musiker für sein Sextett zum ORF. Auch in Wien sorgte der virtuose Bassist und charmante Lebenskünstler mit der Vorliebe für Pierre-Cardin-Anzüge für eine Belebung der Szene.
Woods Individualismus und die oft trockene Studioarbeit im ORF ließen sich allerdings nicht lange miteinander vereinbaren. In den 70er Jahren verließ er daher Wien. Nach vielen Jahren Aufenthalt in der Schweiz und der Mitwirkung an zahlreichen Aufsehen erregenden Jazzprojekten - u. a. mit der Paris Reunion Band oder mit seiner Tochter, der Sängerin Shawn Monteiro - lebt der Musiker nun wieder in den USA.
Der "Hans aus Favoriten"
Ein beinahe ebenso bemerkenswerter Kontrabassist wie "Jimmy" Woode war der am 16. September 1939 in Wien geborene Hans Rettenbacher. Hans entstammte einer Favoritener Musikerfamilie. Sein Vater Anton spielte in den 50er Jahren Kontrabass in diversen Tanzkapellen. Sein Bruder Harald war ebenfalls ein talentierter Bassist, und seine jüngere Schwester Irmila gehörte 1977 als Sängerin zu den Gründungsmitgliedern des Vienna Art Orchestra.
Beim beliebten Dave Pike Set
Seine Laufbahn begann der bereits im Alter von 47 Jahren verstorbene Hans Rettenbacher in den Bands von Uzi Förster und Fatty George, bis ihn 1962 der "Vater der österreichischen Jazzszene", Hans Koller, zu Aufnahmen nach München holte. Der Wiener Musiker blieb in Deutschland, stieg in die SFB-Big-Band von Paul Kuhn ein und gehörte in den 70er Jahren der populärsten deutschen Combo, dem Dave Pike Set, an - einer Gruppe, die mit einem "Mischkonzept" Jazz, Rock, Pop und auch Country-Zitate zu einem harmonisch, klanglich, rhythmisch und dynamisch außerordentlich differenzierten, kammermusikalischen Ganzen verschmolz.
In "Jazztime" erinnert sich Klaus Schulz u. a. mit seltenen Aufnahmen der beiden Ausnahmemusiker Woode und Rettenbacher, die er auch selbst gekannt hat und zu seinen Freunden zählen durfte.