Ein kleines Dorf mitten im Nahost-Krisenherd

Die Oase des Friedens

Nach dem Tod Jassir Arafats stellt sich die Frage noch deutlicher, wie es in der Krisenregion weitergehen soll. Einzelne Initiativen versuchen aber nach wie vor, das Miteinander zu leben. Das Friedensdorf Neve Shalom/Wahat al Salam ist ein Beispiel dafür.

Evi Guggenheim über die Friedensschule

Wie wird es im Nahen Osten nach dem Tod von Yassir Arafat weitergehen? Wird sich die Spirale der Gewalt von Israelis und Palästinensern weiterdrehen oder wird es zu einem Neuanfang kommen, zu einer Wiederaufnahme von Friedensgesprächen? Dass eine friedliche Koexistenz auch funktionieren kann, beweist ein israelisches Dorf mitten im Pulverfass Nahost.

Die Oase des Friedens

Neve Shalom/Wahat al-Salam - auf Deutsch "Oase des Friedens“ - so heißt ein kleines Dorf in Israel. Etwa auf gleichem Weg zwischen Tel Aviv und Jerusalem gelegen, leben dort Juden und Araber eng miteinander; ihre Kinder wachsen zusammen auf und gehen gemeinsam in die Schule. Bereits 1972 von einem französischen Priester gegründet, ist die Dorfkooperative in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter ausgebaut worden.

Ein außergewöhnliches Paar

Maßgeblich an diesem Friedensprojekt beteiligt ist die Schweizerin Evi Guggenheim. Die aus Zürich stammende jüdische Friedensaktivistin schließt sich bereits in den 70er Jahren dieser Initiative an. Schon damals verurteilt sie Pauschalurteile gegen Araber, auch aus der Erfahrung des jüdischen Volkes:

"Gerade weil man auf die Juden immer wieder in der Geschichte mit dem Finger gezeigt, sie pauschal angeklagt und für alles Übel in der Welt verantwortlich gemacht hat, dürfen sie nicht in den gleichen Fehler verfallen",

betont Guggenheim, die auch privat den Weg der Versöhnung mit den Arabern geht. 1984 heiratet sie Eyas Shbeta, einen Palästinenser aus dem Westjordanland.

Das Kernstück des Projekts

Im Mittelpunkt ihres Friedensprojekts, das sie bereits vor mehr als 20 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann und ihren mittlerweile drei Kindern initiiert hat, steht die so genannte Friedensschule, eine Art Friedenserziehung für beide Völker. Sie versucht gleichsam im Kleinen, eine Alternative zur Konfrontation in der politischen Realität zu erarbeiten - was freilich alles andere als einfach ist.

Noch schwieriger - aber zugleich noch notwendiger - sei die Friedensarbeit durch die zweite Intifada geworden, erzählt Evi Guggenheim. Denn die Spirale von Gewalt, von Selbstmordattentaten auf der einen, gezielten Tötungen von Palästinenserführern und der Zerstörung ganzer Dörfer auf der anderen Seite, mache Verständnis für die Motive des anderen fast unmöglich. Deshalb haben sich Evi Guggenheim und Eyas Shbeta auch entschlossen, ein gemeinsames Buch aus jeweils eigener Sicht zu schreiben.

Die Hauptaufgabe

Dass die Friedensarbeit in Neve Shalom/Wahat al Salam von der Regierung Sharon nicht nur nicht unterstützt, sondern behindert wird, ist für Evi Guggenheim nur konsequent. Der politische Druck reicht von offener Bedrohung über Intrigen bis zum finanziellen Aushungern.

Das Vertrauen in den guten Willen des jeweils anderen scheint jedenfalls derzeit sowohl bei Palästinensern als auch bei Israelis total zerstört. Gerade hier sieht Evi Guggenheim eine Hauptaufgabe ihres Friedensprojekts: zumindest die Möglichkeit von Vertrauen wiederherzustellen. Dabei wird in der Friedensschule auch die - vorübergehende - Konfrontation bewusst in Kauf genommen.

"Es kann nur besser werden"

"Die Situation im Nahen Osten generell ist derzeit so schlecht, dass sie eigentlich nur besser werden kann. Deshalb sehe ich der Zukunft durchaus mit Hoffnung entgegen."

Ihren Optimismus bezieht Evi Guggenheim auch aus den Erfolgen ihrer Friedensarbeit:

"Wenn es im Kleinen möglich ist, zu einem Verständnis von Juden und Arabern zu kommen, warum soll es in der großen Politik nicht funktionieren?"

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Buch-Tipp
Oase des Friedens, Evi Guggenheim-Shbeta und Eyas Shbeta (Hrsg.), erschienen im Heyne-Verlag, September 2004, ISBN 3-453-12008-6

Link
Neve Shalom/Wahat al Salam