Das Auto in 29 Einzelteilen
Lenk mich doch!
Für viele hat er den besten Job der Welt. David Staretz bekommt brandneue Autos zur Verfügung gestellt, die er auf Herz und Nieren prüfen, fahren und danach ausführlich "benörgeln" darf. Für "Lenk mich doch!" hat er unser aller liebstes Fortbewegungsmittel in 29 Teile zerlegt.
8. April 2017, 21:58
Sein Liebling ist der Scheibenwischer, von dem Geräusch kann David Staretz gar nicht genug bekommen. Autodesigner hassen es. Auf internationalen Messen wird man bei so genannten "Concept Cars", also Zukunfts-Modellen im Maßstab 1:1, Scheibenwischer vergeblich suchen. Aus unbekannten Gründen fehlen die guten alten Gummilappen bei den High-Tech-Mobilen gänzlich. Einen zeitgemäßen Ersatz hat man allerdings noch nicht erfunden. Dabei sollte man die unermüdlichen Perpendikel schon allein wegen ihrer Symbolhaftigkeit lieben.
Was wären französische Filme ohne Scheibenwischer? Nichts illustriert unglückliche Verliebtheit so schön wie Regenperlen auf der Windschutzscheibe. Geht endlich der Wischer drüber, ist Trost in Sicht.
Rückspiegel, Handbremse oder Sonnenblende
Es gibt jede Menge Bestandteile an unseren Autos, die man, - obwohl man sie tagtäglich in die Hand nimmt - gar nicht richtig wahr nimmt, weil sie einfach nur dezent ihre Funktion erfüllen. David Staretz würdigt sie mit seinen präzisen Betrachtungen. Der Rückspiegel etwa dient nicht selten als Halterung für Babyschuhe oder den offenbar nach wir vor unvermeidlichen Wunderbaum. Aber auch die äußeren Rückspiegel erfüllen nicht nur den Zweck der Verkehrskontrolle.
Damit meinen wir natürlich die charmanteste Art, einen Rückspiegel zu verwenden - die wunderbar lässige Art von schönen Frauen, sich in appetitlicher Kniebeuge parkender Autos, also deren Spiegel, zu bedienen, um Lippen nachzuziehen und das Make-Up zu überprüfen.
Was der Ärmel hergibt...
Nach wie vor unverzichtbar ist die Handbremse. Den zuweilen widerspenstigen Ratschenstock findet man sogar in "Concept Cars", sonst würden die wertvollen Einzelstücke womöglich noch von der Drehscheibe rollen. Die Handhabung des Gehsteigankers will gelernt sein. Nicht umsonst gilt er vor allem beim bergauf Anfahren immer noch als Schrecken aller Fahrschüler.
Die Handbremse ist der ehrlichste Hebel im Auto. Wenn wir dem Lenkrad, der Bremse, dem Gaspedal nur mehr mittelbar vertrauen können - bei der Handbremse kriegst du, was der Ärmel hergibt.
Hupen-Sound
David Staretz beschäftigt sich in "Lenk mich doch!" allerdings nicht ausschließlich mit der Hardware, auch die Fahrkultur kommt nicht zu kurz. Ein tönendes Rätsel bleibt dem weit gereisten Auto-Autor das Phänomen unterschiedlicher Hup-Signale. Obwohl rein technisch kein Unterschied besteht, kann eine Hupe in Italien nie so bösartig klingen wie in Wien-Meidling.
In Kairo werden Autos scheinbar durch die Schallschwingungen der Hupen betrieben. In New York bilden Hupen und Sirenen einen unverkennbaren Klangteppich und in Sofia hupt der letzte einer Ampelkolonne, sobald es grün wird.
Sonntagsfahrt in 29 Teilstrecken
Langweilig wird einem als Leser von "Lenk mich doch!" garantiert nicht. Staretz hat sich trotz höchster Professionalität seine Neugierde bewahrt. Während andere sich an technischen Details ergötzen, sieht er immer das Phänomen Fahren mit all seinen Schönheiten und Schikanen. Ein Buch wie eine wunderbare Sonntagsfahrt über 29 Teilstrecken.
Buch-Tipp
David Staretz, "Lenk mich doch!", Deuticke Verlag, ISBN: 3216307328