Horst Winter zum 90. Geburtstag
Die Big Bands der 40er und 50er Jahre
Obwohl Horst Winter ein Unterhaltungskünstler der Kriegs- und Nachkriegszeit war, hatten seine Orchester immer wichtige Jazzmusiker wie Joe Zawinul, Hans Koller oder Karl Drewo in ihren Reihen, und dementsprechend entstanden auch bemerkenswerte Jazzaufnahmen.
8. April 2017, 21:58
CD-Ausschnitt mit Horst Winter: "Bongo Bongo"
Horst Winter, Jahrgang 1914, Klarinettist, Sänger und Orchesterchef, hatte schon vor 1939 in Berlin eine respektable Band. Bereits damals galt er als der "Jazzkönig Deutschlands". Doch Jazz war nach der "Sprachregelung" des Dritten Reiches "entartete Kunst", und Winter riskierte mit seinem Enthusiasmus für die amerikanische Musik mehr als einmal Kopf und Kragen.
Die Sehnsucht nach Swing
Zwischen 1946 und 1955 waren in Wien die Spuren des Zweiten Weltkrieges noch deutlich erkennbar. Die Menschen hatten anfangs kaum genug zu essen, keine Kohle für ihre Öfen und kein Glas für ihre kaputten Fenster. Aber sie hatten - vor allem die Jüngeren unter ihnen - Sehnsucht nach ein bißchen Vergnügen. Wer ein Radiogerät besaß oder gar ein Grammophon, konnte plötzlich wieder swingende Musik hören - neu aufgenommene Titel im Jazzidiom, in der Art von Bing Crosby oder Benny Goodman.
Der "Elite Special"-Star
Man ging wieder ins Konzerthaus zu einer Matinee. Auf der Bühne stand ein fescher, junger Mann mit Brille, weißem Smoking und Klarinette: Horst Winter. Und um ihn herum saßen sie alle, die Idole der Jazzbegeisterten: der Trompeter Joschi Wimmer, der Posaunist mit dem samtenen Ton, Eugen Landwehr, die Saxofonisten Erwin Halletz und Fritz Gartner, und am Klavier und Schlagzeug Heinz Neubrand und Teddy Palatzky. "Elite Special" hieß damals eine neue Plattenmarke, und ihr Star war Horst Winter.
"In The Mood" im "Triumph Tanzpalast"
Abends traf sich die Jugend im "Triumph Tanzpalast", wo Winter mit seinem Wiener Tanzorchester, dem WTO, swingte und (fast) allabendlich die Wiener Polizei und die "Vier im Jeep" "dicht machen" mussten, weil keine Stecknadel mehr in dieses Dancing hineinging. Dort konnte man die Nachkriegssorgen vergessen - bei "In The Mood" oder "Swing tanzt heut' die ganze Welt".
Relaunche im Wiener Volksgarten
Ab 1950 sah und hörte man dann ein verändertes Winter-Orchester, meist im Wiener Volksgarten. Der Jazz war anders geworden. Die Amerikaner Charlie Parker und Dizzy Gillespie hatten ihn modernisiert. Woody Herman und Stan Kenton mit ihren Big Bands waren die neuen Vorbilder für Europas groß besetzte Jazz- und Tanzorchester.
Auch Horst Winter trug diesen Veränderungen Rechnung, und er stellte jüngere Musiker ein. Hans Koller, Österreichs Paradejazzer dieser Jahre, spielte bei Winter Tenorsaxofon, später kam dann an seiner Stelle Karl Drewo.
"Der 'Zawi' eine Nul(l)"
Auch Joe Zawinul spielte im Winter-Orchester auf seinem Klavier und ließ damals schon erkennen, dass er ein außerordentliches Talent hatte. Dass er einmal zu den Allerbesten der Jazzwelt zählen sollte, glaubte damals allerdings nicht einmal er selbst.
Immer wieder rühmte sich später Horst Winter in Interviews, dass er Joe Zawinul die erste Chance gegeben hatte, was ja wirklich stimmte. Zawinul war damals ein zwar talentierter, aber auch etwas undisziplinierter junger Musiker. Winter soll deshalb zu ihm gesagt haben: "Also das 'Zawi' lassen wir einmal weg, für mich sind Sie nur eine 'Nul(l)'".
Orchester schrieben Jazzgeschichte
Horst Winter hätte am 24. September seinen 90. Geburtstag gefeiert. Er war ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der deutschsprachigen Popularmusik und des europäischen Jazz. Mit seinen Orchestern hat er jedenfalls - sowohl während des Krieges, als auch im Nachkriegs-Wien - wahre Brutstätten für außergewöhnliche Jazztalente geschaffen.
Mehr zur "Ö1 Jazznacht" in Ö1 Programm
Link
Rundfunkmuseum