Christoph Hein wird 60
Landnahme
"Ach, ich bin ganz zufrieden mit meinem Leben. Es gab ausreichend Prügel und Schwierigkeiten, und nichts ist für einen Künstler anregender als Schwierigkeiten," ist Christoph Heins Devise. Rechtzeitig zu seinem 60er ist nun sein neues Buch erschienen.
8. April 2017, 21:58
Christoph Hein über die zweite und dritte Generation der Vertriebenen
Rechtzeitig zu seinem 60er hat der Suhrkamp-Verlag Christoph Heins jüngstes Werk herausgebracht. "Landnahme", so der Titel, beschäftigt sich mit einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte: mit Vertreibung und Heimatsuche und mit den Ressentiments, auf die die Vertriebenen fast überall stießen.
Das Leben des Bernhard Haber
Solch ein Vertriebener aus Breslau ist Bernhard Haber, der Held in Heins neuem Roman. 1950, mit zehn Jahren, kommt er mit seinen Eltern ins sächsische Guldenberg - und stößt auf Vorurteile, Misstrauen und mitunter auch blanken Hass.
Mit scharfem Blick und schonungsloser Offenheit schildert Hein die Ablehnung, auf die die Habers in Guldenberg stoßen, eine Ablehnung, die sich gerade in ländlichen Gebieten über mehrere Generationen erhalten hat.
Einige Parallelen zur Biographie des Autors sind unverkennbar: Auch Christoph Heins Familie musste nach Kriegsende ihre schlesische Heimat verlassen und nach Bad Düben bei Leipzig gehen, wo Hein aufwuchs.
Der Fremde, der nicht dazugehört
Glück hat Bernhard Haber nicht gerade. Wohl werden Handwerker in Guldenberg gebraucht und Bernhards Vater kann sich und seine Familie als Tischler gerade ernähren, viele Einheimische weigern sich jedoch, ihre Möbel bei einem Fremden, einem Vertriebenen zu bestellen. Bernhard Haber jedoch steigt auf der sozialen Leiter langsam auf. Nach einer Tischlerlehre wird er Karussellbesitzer - in Wahrheit verdient er sein Geld, indem er Flüchtlinge nach Westberlin transportiert.
Als sein Mitverschwörer Peter Koller verhaftet wird und ins Gefängnis muss, zieht sich Bernhard Haber aus dem gefährlichen Geschäft zurück. Er gründet eine Tischlerwerkstatt, die bald zur größten im Ort aufsteigt, er heiratet ein Mädchen aus der Gegend und wird Mitglied des örtlichen Kegelclubs, der auch auf die lokale Politik Einfluss nimmt. Trotzdem aber bleibt Bernhard Haber immer der Fremde, der eigentlich Unerwünschte, der nicht richtig dazugehört.
Überleben in einer feindlichen Welt
Christoph Hein erzählt Bernhard Habers Geschichte aus der Perspektive von fünf Wegbegleitern des Protagonisten. Bernhards ehemaliger Banknachbar Thomas kommt ebenso zu Wort wie der Sägewerksbesitzer Sigurd, der Bernhard als großen Auftraggeber schätzt, oder wie Bernhards erste Freundin Marion.
Mit Bernhard war nicht zu reden. Wenn er von etwas überzeugt war, dann konnte ihn der Klügste nicht vom Gegenteil überzeugen, und auch kein Stärkerer. (...) Umstimmen jedenfalls ließ er sich von keinem.
So entsteht langsam das Bild eines sturen, schweigsamen und doch irgendwie liebenswerten Sonderlings, der früh gelernt hat, in einer feindlichen Welt zu überleben und sich durchzubeißen.
Höhen und Tiefen einer Schriftsteller-Karriere
"Landnahme" ist der vorerst letzte Meilenstein in der Karriere eines Autors, der in seinem Leben viele Höhen und Tiefen durchgemacht hat. Vor allem als Schriftsteller in der DDR hatte Hein immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Heute hat sich Christoph Hein in der deutschsprachigen Literatur einen festen Platz erschrieben - ein verdienter Lohn für viele auch literarische Mühen. Immer wieder habe er sich in seiner Arbeit die Hürde höher gelegt, sagt Hein, immer wieder musste er um Worte und Sätze ringen. Leichtgefallen ist es ihm fast nie - dafür aber, so Hein, war es immer wieder spannend.
Weil er aber nicht nur ihn, sondern auch für seine Leser immer wieder spannend war, konnte Christoph Hein im Lauf der Jahre zahlreiche Preise und Auszeichnungen entgegennehmen. Der für ihn wichtigste Preis kommt aus Österreich: der Europäische Literaturpreis.
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Buch-Tipp
Christoph Hein, "Landnahme", Suhrkamp Verlag 2004, ISBN 3518416014
Veranstaltungs-Tipp
Im Rahmen einer Präsentation des Suhrkamp Verlags liest Christoph Hein am 18. März um 20.00 Uhr im "Kasino am Schwarzenbergplatz" aus seinem neuen Roman. Peter Turrini wird den Autor vorstellen und ein Gespräch mit ihm führen.
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