Scheitern als Chance

Die Kunst des richtigen Scheiterns

Fast jeder Mensch gehört einmal in seinem Leben zu den Verlieren. Ein Ziel aufgeben zu müssen wird zur elementaren Lebenserfahrung - beruflich wie privat. Scheitern kann jedoch auch positive Seiten haben. Denn Stärke bedeutet nicht ausschließlich Siegen.

Paul Watzlawick, der Pionier des Konstruktivismus behauptet, dass Menschen nicht fähig sind, Probleme zu lösen, weil sie zu sehr vergangenheitsorientiert handeln. Doch haben Menschen einmal erkannt dass sie scheitern, kann aus dem Beakdown ein Breakthrough werden. Kann der Ausbruch aus dem kognitiven Gefängnis der Vergangenheit gelingen.

"Richtiges Scheitern"

Auch wenn es sich paradox anhört, gibt es so etwas wie "besseres" oder "richtiges" Scheitern. Allerdings ist nur bei wenigen Menschen die Begabung ausgeprägt, im Scheitern eine Chance zu erkennen. Die meisten schätzen laut dem Therapeuten Michael Hengl beharren, durchhalten, Ausdauer als Kardinaltugend. Und scheitern gerade deshalb.

Versagen als Entwicklungsschritt

Stärke bedeutet nicht ausschließlich Siegen. Stärke bedeutet nur zu einem Teil durchhalten, dranbleiben, sich nicht unterkriegen lassen. Stärke bedeutet auch: loslassen, aufgeben, scheitern können.

Versagen, so sind sich immer mehr Psychologen einig, kann Gewinn bringen. Menschen profitieren von traumatischen Erfahrungen, indem sie neue Fähigkeiten erwerben, mit denen sie die Welt oder sich selbst besser steuern können. Diese neuen Fähigkeiten verhelfen Menschen dazu, besser mit ihren Lebensumständen fertig zu werden. Sie können flexibler mit dem Unbekannten umgehen.

Die Kunst des Loslassens

Gesteht man sich das Scheitern mit aller Klarheit ein, erkennt man, dass eine weitere Verfolgung des Ziels aussichtslos und kräfteraubend ist. Wer an einer längst gescheiterten Beziehung festhält, wer nicht wahrhaben will, dass seine beruflichen Pläne sich nicht verwirklichen lassen, wer sich in Selbstbeschwichtigung ergeht oder im Alkohol, in der Ess- oder Drogensucht Vergessen sucht, bringt sich um die Chance, den Gewinn im Verlust zu erkennen.

"Ich kann auch ein anderer sein" und "Ich kann es ändern", ist die Erkenntnis in der die Kraft für einen Neuanfang steckt.

Der gewinnende Verlierer

Ein gewinnender Verlierer kann laut dem Soziolgen Martin Doehlmann vielleicht endlich sein "eigentliches Selbst" entfalten. Eine Niederlage kann manchmal verschlossene Türen öffnen. Neues wird erprobt. Beengende Routine wird verlassen, einengende Vorgaben werden über Bord geworfen.

Manche erkennen, dass die bisherige Jagd nach Status und Erfolg ihnen keinen Sinn im Leben geben konnte und verabschieden sich vom verloren gegangenen hochdotierten Job, um beispielsweise karitativ zu arbeiten.

Und einige entdecken auch die Wonnen der Gewöhnlichkeit, berichtet Martin Doehlemann. Sie waren in anspruchsvollen nervenaufreibenden Berufen oder Beziehungen involviert und sehen im Scheitern die Chance zum downshifting, die Chance zur Gemütlichkeit.