Mindanao, die zweitgrößte Insel der Philippinen
Von Prostitution, Korruption und Rebellion
Spanische Kolonie, US-Protektorat, einheimische Diktatur: Die Geschichte ließ den Philippinen wenig Chancen. Doch auch unter relativ demokratischen Bedingungen ist das Leben für viele nicht leichter geworden.
8. April 2017, 21:58
Bauernführer Jaime Tadeo
Im schummrigen Licht vor einem riesigen aber nicht mehr ganz neuen Spiegel, dessen Sprünge mit breitem Klebstreifen zusammengehalten werden, windet sich eine knapp bekleidete Tänzerin im Rhythmus der viel zu lauten Musik.
Die "Honey B Bar" ist ein zweitklassiges Etablissement in Davao, der Metropole der Insel Mindanao. 18 Mädchen und junge Frauen treten hier Nacht für Nacht zum Überlebenskampf an. Sie bekommen umgerechnet zweieinhalb Euro für ihre drei Auftritte. Wenn sie nackt unter der Dusche tanzen, etwas mehr. Aber nur, wenn sie einem Kunden in ein Hinterzimmer folgen, kommen sie auf ihre Rechnung.
Prostituierte auf Drogen
Die meist in katholischer Prüderie aufgezogenen Mädchen verrichten die Arbeit mit großem Widerwillen. Manche müssen sich mit Drogen voll pumpen, um sich vor Fremden halbnackt auf der Bühne zu exponieren. Die 19-jährige Sheila hat keinen größeren Wunsch, als einen ehrlichen Job in einem sauberen Geschäft zu verrichten.
Verkäuferin wäre sie gerne. Am besten in irgendeinem Modegeschäft. Dann müsste sie auch ihre Mutter, die mit drei jüngeren Geschwistern in einer Kleinstadt lebt, nicht länger anlügen. Noch verweigert sie den Sex mit den Klienten. Doch die meisten geben früher oder später nach. Oder sie werden mit Gewalt genommen, wie Ana Luisa, die mit 15 von einer Freundin angeblich zu einer Party auf ein Schiff mitgenommen und von einem Matrosen missbraucht wurde.
Ungleiche Landverteilung
Die meisten sozialen Probleme der Philippinen haben letzten Endes mit der ungleichen Landverteilung zu tun, die 377 Jahre spanischer Kolonialherrschaft hinterlassen und ein halbes Jahrhundert unter der Kontrolle der USA nicht korrigiert haben.
Die Politik wird von schwerreichen Familien beherrscht, die ihr Vermögen mit Plantagenwirtschaft gemacht haben. Daran hat sich auch fast 20 Jahre nach dem Sturz von Diktator Ferdinand Marcos nichts geändert.
Landreform unzureichend
Die Landreform, vor 15 Jahren von Corazon Aquino eingeleitet, wurde nur unzureichend umgesetzt. Die großen Plantagen, die Latifundien der reichen Familien und transnationalen Unternehmen, wurden nicht angetastet. Den Bauern aber fehlt die notwendige Unterstützung durch günstige Kredite und technische Beratung. Viele haben ihre Parzelle schon wieder verloren.
Auf Mindanao, der mit 104 km2 zweitgrößten Insel, die im Süden des mehr als 7000 Inseln umfassenden Archipels liegt, potenzieren sich die Probleme. Denn hier treffen die Interessen von Siedlern und Transnationalen Konzernen auf ältere Rechte von muslimischen und indigenen Gemeinschaften.
Monokultur sorgt für Verelendung
Die Ureinwohner, in Mindanao Lumads genannt, konnten zwar im Prinzip die Anerkennung ihrer traditionellen Siedlungsgebiete durchsetzen. Doch das gilt nur so lange, als diese Ansprüche keinen übergeordneten wirtschaftlichen Interessen widersprechen. Und die auf Monokulturen für den Export ausgerichtete Landwirtschaftspolitik hat die kleinen Reisbauern verelenden lassen.
Islamische Minderheit
Der Islam war im Mittelalter über arabische Seefahrer und Händler auf den Philippinen heimisch geworden, lange bevor Fernando Magellan, der portugiesische Weltumsegler in spanischen Diensten, im Frühjahr 1521 an den Küsten der philippinischen Inseln Samar, Massawa, Cebu und Mactan anlegte.
Heute leben die Moslems vor allem auf den Inseln Mindanao, Basilan, Palawan und Jolo. Sie bilden im 80-Millionen Volk nur eine Minderheit von vier Prozent.
Ausgrenzung der Muslime
Die Befreiungsbewegungen Moro National Liberation Front und deren Abspaltung Moro Islamic Liberation Front entstanden als Antwort auf die immer stärkere wirtschaftliche und gesellschaftliche Ausgrenzung der Muslime. Der Konflikt wird von Politik und Medien aber gern auf eine religiöse Auseinandersetzung reduziert.
Links
Philippinische Regierung
Philippinen - Wikipedia
Philippinen - CIA World Factbook
Mindanao Times