Reinhard Kürsten zu Gast

Stimmbänder sind seine Leidenschaft

Sein frühester Berufswunsch war, Journalist zu werden. Aber es kam schließlich anders. Und so wurde auch er ein gefragter Stimm-Experte: Reinhard Kürsten, Spross einer Dynastie berühmter Wiener Laryngologen mit internationalem Ruf.

Reinhard Kürsten über Opernsänger als Patienten

"Ich habe zwar sehr viel, aber nicht nur, mit Künstlern zu tun. Und bei einem Opernsänger ist die Psyche natürlich etwas sehr Wichtiges. Aber ich denke, dass es für jeden Arzt hilfreich ist, wenn er nicht nur den Körper, sondern auch die Seele behandeln kann. Bei Sängern ist es ähnlich wie im Sport: Um absolute Spitzenleistungen erbringen zu können, muss auch die psychische Verfassung stimmen", sagt Reinhard Kürsten, HNO-Spezialist und erste Wiener Adresse für Sänger und Schauspieler, im Telefon-Interview mit oe1.ORF.at.

"Viele Außenstehende glauben, dass Sänger hysterisch sind - und das stimmt nicht. Ein Sänger der an der Staatsoper auftritt, muss in Topform sein. Denn wenn er drei Prozent weniger Stimme zur Verfügung hat, wenn er das hohe C singt, hört das eben jeder, wenn er kiekst". Diesmal ist der Wiener Stimm-Experte im Rahmen des Ärzte-Schwerpunktes des "Ö1 Klassik-Treffpunkts" bei Otto Brusatti im KulturCafe des RadioKulturhauses zu Gast.

Klavierspiel, aber nur zum Vergnügen

Medizinern wird ja eine besondere Affinität zur Musik nachgesagt. Eines der prominentesten Beispiele dafür war die Freundschaft zwischen Theodor Billroth und Johannes Brahms. Und wie sieht es beim führenden Wiener Stimm-Experten aus?

"Ich spiele zwar Klavier, bin aber ein absoluter Dilettant. Gelernt habe ich das Klavierspiel bei meinem Onkel, der Musiklehrer war. Aber ich habe viel zu wenig geübt - und dann aufgehört. So wie manche in der Badewanne singen, spiele ich eben ab und zu Klavier", erzählt der international gefragte Laryngologe.

Doch keine Sänger-Karriere

"Ursprünglich wollte man einen Sänger aus mir machen und mich zu den Sängerknaben geben. Das wollte aber meine Mutter nicht, weil ich dann kaum zu Hause gewesen wäre. Und so war meine Sängerkarriere bereits mit Volksschulende vorbei", erinnert sich Kürsten.

Auf die Frage, ob eine Gesangsausbildung für ihn beruflich von Vorteil gewesen wäre, meint Kürsten: "Ich sehe das nicht als Nachteil für meinen Beruf. Wäre ich ein ausgebildeter Sänger, würde ich vielleicht versuchen, anderen Menschen meine Technik aufzudrängen. Und da man nie so gut sein kann wie jene Sänger, die man betreut, wäre das möglicherweise sogar ein Fehler."

Erster Berufs-Wunsch: Journalist

Sein ursprünglicher Berufswunsch war es eigentlich, Journalist zu werden. Aber dann hat er doch Medizin studiert - und wollte zuerst Kinderarzt werden. "Und dann habe ich doch begonnen, mich für den HNO-Bereich zu interessieren - und bin schließlich in die Ordination meines Vaters hineingerutscht", erinnert sich Kürsten.

Eine Laryngologen-Dynastie

Was durchaus seine Logik hatte, denn der "fröhliche Mensch" mit Vorliebe für Opern-Musik entstammt einer Familie berühmter HNO-Fachärzte:

"Der erste in dieser Sängerbehandlungs-Dynastie war mein Onkel Dr. Otto Kriso, der in zweiter Ehe mit der Opernsängerin Emmy Loose verheiratet war. Nach seinem Tod übernahm mein Vater dann die Ordination."

Der Vater als Lehrer

Den klassischen Vater-Sohn-Konflikt gab es zwischen Heinz und Reinhard Kürsten jedenfalls nicht: "Mein Vater war immer bereit, mir alles zu erklären. Wir haben gemeinsam Probleme analysiert, manchmal auch gemeinsam Patienten angeschaut oder die Stimmbänder am Video studiert. Unser Steuerberater hat festgestellt, dass er eine so reibungslose Übergabe noch nie erlebt hat", erzählt der erfolgreiche Nachfolger.

Jose Carreras, einer der ersten Patienten

Auch mit dem Problem von Kindern berühmter Eltern hatte Kürsten junior nicht zu kämpfen, als er 1998 die Ordination seines Vaters übernahm:

"Interessanterweise kamen gleich die berühmtesten Sänger zu mir. Jose Carreras war sicher einer meiner ersten Patienten. Und mein Vater erzählte mir, dass es bei ihm ebenso war: Zuerst kamen die Opern-Stars, dann folgten die anderen Sänger. ", erinnert sich Kürsten, der so prominente Künstler wie Tenor Neil Shicoff zu seinen persönlichen Freunden zählt.

Uni Wien und Auslandsstudien

Reinhard Kürsten, Jahrgang 1961, begann nach Abschluss des Schottengymnasiums mit dem Medizin-Studium an der Universität Wien. Die Ausbildung zum HNO-Facharzt erhielt er an der Universitätsklinik. Studien-Aufenthalte mit dem Schwerpunkt Hören (Grundlagenforschung zur Versorgung tauber Kinder mit Cochlear-Implantaten)führten in nach Frankfurt und San Francisco ("Eine ganz wichtige Horizont-Erweiterung").

Danach war Kürsten, mit einer Ärztin verheiratet und Vater zweier Töchter, an der HNO-Abteilung der "Barmherzigen Brüder" tätig. Parallel dazu begann er in der Privat-Ordination seines Vaters zu ordinieren. 1998 beendete er seine Spitals-Tätigkeit als Oberarzt und übernahm die Praxis seines Vaters am Wiener Opernring.