Ein Porträt der Klassik-Diva Grace Bumbry
Venus in Black
Schon allein die Erwähnung des Namens Grace Bumbry bringt Opernliebhaber zum Schwärmen. Bereits mit 23 debütierte sie als "Carmen" an der Pariser Oper. Berühmt wurde sie als "schwarze Venus von Bayreuth" - diese Bezeichnung blieb ihr bis heute.
8. April 2017, 21:58
Wenn sie die Bühne betritt, entsteht beim Publikum eine Atmosphäre gespannter Konzentration. Ihr Auftreten wirkt exklusiv elegant, aber auch selbstbewusst und unterstreicht die großen, schauspielerischen Fähigkeiten in ihrer Persönlichkeit. Ihre Stimme wirkt fesselnd und wird von den Kritikern als "dunkel-timbrierter Sopran in einem Repertoire von Monteverdi bis Richard Strauß" oder "voll- und wohltönend, warmherzig, ausdrucksstark, leidenschaftlich, aber auch flexibel und differenziert beschrieben.
"Eine schöne Seele ist wichtiger als eine schöne Stimme"
Auch für Grace Bumbry selbst ist es irgendwie ein Wunder, wie sie mit der Kraft ihrer Stimme "Klang" erzeugen kann. Dennoch ist für sie "eine schöne Seele wichtiger als eine schöne Stimme":
"Es ist wichtig, auf der Bühne mit den Menschen zu kommunizieren. Technisch richtig zu singen, ist gar nicht so interessant. Wichtiger ist es, den menschlichen Wert zu zeigen. Wenn ich beispielsweise das 'Ave Maria' singe, dann muss ich keine Scheu haben, das herauszubringen, das meinem Publikum zu zeigen. Viele Leute haben Angst, das zu tun. Man steht ganz nackt da, man öffnet sich. Diese Komponente ist es, was so vielen Leuten fehlt."
Geburtsort St. Louis - wo der Blues zu Hause ist
Grace Bumbry kommt aus St. Louis/Missouri - dort, wo der Blues zu Hause ist. Hier sind auch ihre musikalischen Wurzeln zu finden. Die Eltern waren im Kirchenchor, die beiden älteren Brüder im Jugendkirchenchor, und die "kleine Grace" merkte sich die Texte und Melodien schnell und sang bei den Proben einfach mit. Ihre musikalische Begabung wurde im Elternhaus gefördert.
Der Werdegang von Grace Bumbry könnte einem "Hollywoodfilm-Plot" entsprungen sein: Als 16-Jährige nahm sie an einem großen Gesangswettbewerb teil, an dem alle Schulen ihrer Heimatstadt St. Louis mitmachten. Der Wettbewerb, an dem sich etwa 500 Teilnehmer bewarben, dauerte 20 Wochen. Grace Bumbry gewann ihn mit der Arie "O don fatale" aus Verdis "Don Carlo". Danach ging alles sehr schnell. In New York gewann sie die "Arthur-Godfrey-Talente-Show" und sang zwei Wochen lang Opernarien in einer CBS-Radiosendung. So wurde ihre Stime in ganz Amerika bekannt.
Lieblingsschülerin von Lotte Lehmann
Danach öffneten sich für sie die Türen verschiedener Universitäten. Bumbry konnte zwischen sieben Vollstipendien wählen. Sie studierte zunächst auf der Boston University. Aber nach einem Semester entschloss sie sich die Universität zu wechseln. Und das Schicksal nahm seinen Lauf: Grace Bumbry kam zu Lotte Lehmann nach Santa Barbara. Lotte Lehmann war eine berühmte Strauss- und Wagner-Sängerin, die 1938 von Deutschland in die USA emigrierte und hier nach dem Ende der eigenen Gesangskarriere eine Music Academy leitete. Grace Bumbry saß bei ihr in der Meisterklasse und wurde Lehmanns Lieblingsschülerin:
"Sie war meine Lehrerin, meine Leiterin, mein alles, sie hat mir sehr geholfen und mir den Weg gezeigt, wie man ein Lied interpretiert, was genauso wichtig ist wie die Stimmkontrolle."
"Firmenlogo schwarze Venus"
Anfang der 60er Jahre kam Grace Bumbry als 23-Jährige zum ersten Mal nach Europa. Dies markierte den Beginn ihrer Opernkarriere. Ihr Debüt feierte sie 1960 als "Carmen" an der Pariser Oper, im Jahr darauf sang sie als erste schwarze Künstlerin die "Venus" in Bayreuth in Wagners "Tannhäuser". Die Bezeichnung "schwarze Venus" blieb ihr bis heute, fast wie ein Firmenlogo:
"Damals hatte ich keine deutsche Oper im Repertoire. Ich habe eine italienische Arie gesungen und dachte, die werden mich gar nicht nehmen. Da waren fünf oder sechs Frauen, blond und blauäugig, eine von denen war wirklich sehr gut ... ich war gerade auf dem Weg, rauszugehen, da kam ein Assistent und sagte: 'Gehen Sie nicht, Herr Wagner möchte Sie sprechen.' And the rest you know ..."
"Die stimmlichen Voraussetzungen waren so sensationell, dass man an dieser kraftvollen Aussage gar nicht vorbei konnte" - kommentierte der Dirigent Wolfgang Sawallisch rückblickend den Auftritt von Grace Bumbry, der im Vorfeld für Bedenken bei konservativen Wagnerianern sorgte, weil sie sich eine "schwarze Venus" nur schwer vorstellen konnten. Wieland Wagner erklärte damals, dass sein Großvater - Richard Wagner - für Stimmfarben, und nicht für Hautfarben geschrieben habe.
Von Gott geleitet ...
Inzwischen bringt nur die Erwähnung des Namens Grace Bumbry, die dieser Tage ihren 66. Geburtstag feiert, Opernliebhaber zum Schwärmen. Denn sie ist Carmen, Turandot, Tosca, Lady Macbeth, Amneris, Aida, Eboli, Salome - um nur einige Rollen zu nennen, mit denen sie weltberühmt wurde. Unter den besten Dirigenten auf allen großen und berühmten Opernbühnen der Welt hat sie bereits gesungen. Ihr Leben ist untrennbar mit ihrer Kunst, mit dem Gesang verbunden, der von Kindheit an prägendes Element war. Grace Bumbry ist immer selbstbewusst ihren Weg gegangen, geprägt von ihren Ursprüngen in St. Louis - von der "Black Church" und dem Gefühl, von einer höheren Macht, von Gott geleitet zu werden. Von ihr stammt auch das Zitat: Der beste Manager ist Gott"
"Das sag ich immer noch. Gott schickt auch den Manager, die Sachen sind immer zu mir gekommen. Es ist gut, wenn man einen Manager hat ..."
Akribische Recherchen und das Talent der Mutter
Singen, als müsste man um sein Leben singen, so klingen oft Grace Bumbrys Darbietungen, die sich mit jeder Partitur akribisch auseinandersetzt, recherchiert und versucht, ihren Weg zum jeweiligen Werk zu finden. Bumbry hat viel an sich gearbeitet, kam immer vorbereitet zum Unterricht, ließ sich von niemanden beirren und vertraute auf ihre Fähigkeiten und die Durchsetzung ihrer Vorstellungen. Jedes Engagement, jeden Vertrag verstand sie als "Auftrag, zu arbeiten". Die Stimme, das Talent hat Grace Bumbry - wie sie selbst sagt - von ihrer Mutter geerbt, die selbst eine schöne, warme und dunkle Stimme hatte.
"Meine Mutter hat immer gesagt, wenn du von etwas überzeugt bist, musst du es durchsetzen, auch wenn es falsch ist ... und das habe ich immer getan. Und fast immer war es auch richtig, weil ich die Sachen durchdenke, was dagegen spricht, was pro, was sein könnte, und erst dann nehme ich meine Richtung."
Zahlreiche Auszeichnungen
Nicht nur Applaus und Verehrung, sondern auch zahlreiche Auszeichnungen säumen den Weg der Opern-Diva: der John Hay Whitney Award, die Richard-Wagner-Medaille, der Grammy Award, die Royal Opera House Medal, die Ehrendoktorwürde der University of St. Louis, des Rust College in Holly Spring/Missouri sowie des Rockhurst College. Grace Bumbry sitzt in Jurys, beobachtet den gesanglichen Nachwuchs und unterrichtet unter anderem auch am Salzburger Mozarteum.
"Salzburg hat alles, was ich brauche"
Grace Bumbry hat jüngst beim Salzburger Jazzherbst 2003 Negro Spirituals gesungen, die sich auch auf ihre Ursprünge beziehen, auf ihre Heimat in St. Louis. In Salzburg hat sie sich auch seit März 2003 niedergelassen. Es ist eine ihrer geographischen Heimaten:
"Ich habe schon mehrere Heimaten: St Louis, Chicago, New York City, Lugano und Salzburg. Chicago ist genauso schön wie New York und Lugano, aber in Salzburg gibt es alles, was ich brauche, und das ist Musik, Musik, Musik."
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Link
Lotte Lehmann Foundation