Die Klavier-Sonate im Interpretationsvergleich

Mozarts "Sonata facile"

Sie trägt zwar diese Bezeichnung, ist aber alles andere als einfach zu spielen: Mozarts "Sonata facile". Ein Vergleich zwischen Maria Joao Pires und Glenn Gould macht mehr als deutlich, welche Interpretations-Unterschiede bei einem Werk möglich sind.

2. Satz, Andante: Maria Joao Pires und Glenn Gould

Meiner Meinung nach habe ich in dieser Sendung noch nie solche riesigen Unterschiede einer Spielweise, einer Interpretation gefunden und präsentiert wie bei Mozarts Sonate für Klavier KV545, der "Sonata facile". Es ist zudem eines der bekanntesten Werke der Klassik und eines der berühmtesten Stücke der Klavierliteratur.

Ohne Übertreibung kann ich versprechen: Die beiden verglichenen Spielweisen sind wie aus zwei verschiedenen Welten. Und zwar nicht nur deshalb, weil ein Interpret ein historisches Fortepiano benutzt und der andere ein modernes Klavier.

Mozarts gar nicht so leichte Sonate

Dass Mozarts "Sonata facile" gar nicht so facile, also einfach, ist, sondern ziemlich schwer zu spielen beweist die Aufnahme mit Jos van Immersweel: ziemlich schnelles Tempo, ein bisschen gehetzt und ungenau in der Metrik bei den Läufen, alles etwas verwischt. Das kann auch am Instrument, einem nachgebauten Walter-Flügel liegen, auf dem der Pianist spielte und wo gleichmäßige Läufe mit der entsprechenden Betonung nicht so leicht sind.

Das war es aber sicherlich, was Mozart in diesem ersten Satz seine "Anfänger" unter anderem üben lassen wollte. Und noch etwas ist auf solchen alten Instrumenten nicht möglich: Ständige kleine dynamische Wellen, wie sie Maria Joao Pires auskostet.

Verträumt bei Pires, heiter bei Gould

Im zweiten Satz dieses Klassikers aller Klassiker der Klavierliteratur tun sich nun noch größere Unterschiede auf. Er ist mit "Andante" überschrieben - und da beginnen schon die Unterschiede. Andante heißt: gehend, schreitend. Die langsamen Sätze der Mozart-Sonaten sind meistens Andante oder Adagio - das spräche für ein etwas geschwinderes Tempo, also kein verträumter Gesang, sondern eher ein fröhlich-unbekümmertes Lied. Dieser Satz klingt im Gegensatz zum Spiel von Immersweel bei Maria Joao Pires deutlich langsamer, verträumter, eher wie ein Adagio.

Und bei der folgenden Interpretation möge noch jemand behaupten, dass Interpretations-Unterschiede nicht oder nur schwer hörbar seien. Hier klingt das Anfangsthema alles andere als beschaulich, die harmonischen Turbulenzen werden zu einem heiteren Tänzchen: Glenn Gould - wer sonst - spielt dieses Andante aus Mozarts "Sonata facile" eher wie eine Toccata. Durchaus raffiniert, kunstvoll, wie ein prächtiges, virtuoses zweistimmiges Stück spätbarocker/frühklassischer Art - so wie Gould es sich wohl von Mozart gewünscht hätte.

Übersicht

  • Interpretationen