Regen statt Schnee, Wasser statt Eis
Die europäischen Alpen
Laut UNO-Klimabericht wird sich die Erde weiter erwärmen. Da Gebirgsregionen sensibler auf Erwärmung reagieren, muss man sich hier auf gravierende Folgen einstellen: Gletscher schmelzen, Dauerfrostböden tauen auf, Niederschläge verändern sich.
8. April 2017, 21:58
Die Erde wird sich weiter erwärmen. Das sagt der UNO-Klimabericht voraus, und darüber sind sich die Klimaforscher einig. Die bisherigen Beobachtungen lassen vermuten, dass der Alpenraum vom globalen Temperaturanstieg stärker betroffen sein wird als andere Gebiete.
Warum sich die Alpen schneller erwärmen als andere Regionen, ist bisher noch nicht geklärt. Tatsache ist aber, dass nahe an der Null-Grad-Grenze eine Erwärmung von nur einem Grad Celsius schon große Auswirkungen hat. Wenn Niederschläge als Regen fallen und nicht als Schnee, gelangt das Wasser schneller in die Bäche und Flüsse. "Es verändert sich die Intensität der Niederschläge und es verschieben sich die Zeitpunkte, zu denen bestimmte Ereignisse eintreten" sagt der Innsbruck Ökologe Roland Psenner.
Überlastete Abflüsse
Klimaforscher gehen davon aus, dass extreme Wetterereignisse in den Alpen häufiger werden. Vor allem in dicht besiedelten Gebieten und Städten muss man daher damit rechnen, dass Starkniederschläge die Kanalisationen öfter zum Überlaufen bringen werden. Ein Tropfen Wasser, der auf ein Dach oder eine asphaltierte Straße auftrifft, gelangt innerhalb weniger Minuten in die Kanalisation. Daher führen in der Stadt kurzzeitige Regenspitzen eher zum Überlauf als Dauerregen.
Der Innsbrucker Bauingenieur und Umwelttechniker Wolfgang Rauch hat für vier Orte in Tirol die Regenserien der letzten 50 Jahre analysiert. Das Ergebnis: In Reutte und Mayerhofen sind die Werte relativ konstant, während die Intensität der Regenfälle in Innsbruck und Lienz um rund 40 Prozent angestiegen ist. Dieses Ergebnis zeigt einerseits, dass durch die Klimaerwärmung ein gewisser Anpassungsdruck für die Kanalisationen in urbanen Räumen entsteht. Andererseits zeigt es aber auch, dass Niederschläge lokal sehr unterschiedlich verteilt sind. "Es wäre daher nicht angemessen, in einer Panikreaktion jetzt die Kanalisationen zu vergrößern", sagt Wolfgang Rauch. Zuerst müsse man umfangreiche und genaue Erhebungen machen.
Permafrost taut auf
Ebenfalls unterirdisch ist ein Problem, das im Gebirge ab 2500 Meter Seehöhe entsteht: Das Auftauen der Dauerfrostböden.
Der Innsbrucker Geograf Hans Stötter beobachtet seit zehn Jahren Permafrostflächen im Ortlergebiet in Südtirol: "Dort sind frappierende Veränderungen festzustellen. In diesen zehn Jahren hat sich die Grenze, ab der Permafrost vorhanden ist, um 100 Meter nach oben verschoben." Hangrutschungen und Muren können die Folge sein, gefährdet sind aber auch Lawinenverbauungen und Liftanlagen, die instabil werden, wenn der Boden auftaut.
Ökotourismus als Antwort auf den Klimawandel?
All diese Veränderungen im Alpenraum machen ein Überdenken der bisherigen Praxis in der Tourismusindustrie notwendig. Der Schnee wird in tieferen Lagen immer öfter ausbleiben, dafür ergeben sich neue Chancen für den Sommertourismus.
Der Salzburger Kommunikationswissenschaftler und Tourismusforscher fordert allerdings von den Touristikern eine Änderung ihrer Sichtweise: "Sie sehen sich immer noch vor allem als Leidtragende der Klimaveränderung und realisieren zu wenig, dass sie auch Mitverursacher sind."
Naturnahe Tourismusprodukte, die den Individualverkehr reduzieren oder überflüssig machen, müssten entwickelt werden. Eine Tourismuspolitik, die alle relevanten Disziplinen und Gruppen einbezieht und auf breiter Basis Entscheidungen trifft, fehlt nach Ansicht des Tourismusforschers Kurt Luger in Österreich.
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