Sex. Macht. Politik
Nichts Menschliches ist dem Affen fremd
Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sich der Verhaltensforscher Frans de Waal mit Affen. In seinen populärwissenschaftlichen Büchern verbindet er wissenschaftliche Beobachtungen mit anekdotischen Geschichten aus seinem Leben als Affenforscher.
8. April 2017, 21:58
Frans de Waal über seinen Weg zur Biologie
Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sich der Zoologe und Verhaltensforscher Frans de Waal mit Schimpansen, Bonobos, Makaken und Kapuzineraffen. Der 58-jährige Forscher hat durch seine populärwissenschaftlichen Bücher wie "Der Affe in uns. Warum wir sind, wie wir sind"; "Der Affe und der Sushimeister. Das kulturelle Leben der Tiere" oder: "Eine schöne Verwandtschaft. Das Familienleben der Menschenaffen" - die Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und "Affen" in den Vordergrund gestellt. Denn genetisch ist der Mensch zu 98 Prozent mit den Affen verwandt.
Frans de Waal hat seit seiner Kindheit immer Tiere gehalten und beobachtet. Nach seinem Studium der Biologie und Ethnologie in Nimwegen und Groningen machte de Waal sein Doktorat an der Universität Utrecht und arbeitete als Forschungsassistent im Labor für vergleichende Physiologie in Arnheim. Anschließend ging er in die USA und nahm zunächst eine Professur an der Universität in Wisconsin-Milwaukee an. Als Direktor des "Living Links Centers", das sich mit dem Vergleich der Evolutionsgeschichte von Affen und Menschen befasst, haben "Tiere" sein Berufs- und Familienleben geprägt.
Die andere Seite der Aggression
Durch seine Forschungen mit Affen hat Frans de Waal entdeckt, dass es bei Affen "Reconciliation" - Versöhnung gibt, eine wichtige Konstante im Leben der Tiere. Zunächst stießen seine Erkenntnisse in der Wissenschaft auf wenig Interesse, dies hat sich mit der Zeit geändert und immer mehr Verhaltensforscher befassen sich mit dem Kooperations- und Versöhnungsverhalten von Tieren.
Im ersten Kapitel des Buches "Der Affe in uns. Warum wir sind, wie wir sind" - "Affen in der Familie" formuliert Frans de Waal:
Man kann den Affen aus dem Urwald nehmen, aber nicht den Urwald aus dem Affen. Dies gilt auch für uns zweibeinige Affen. Seit unsere Vorfahren sich von Baum zu Baum hangelten, dreht sich bei uns alles um das Leben in kleinen Gruppen. Wir können nicht genug kriegen von Politikern, die sich im Fernsehen an die Brust schlagen, von den Stars der Soap-Operas, die sich von Bett zu Bett hangeln, und von Reality-Shows, bei denen es darum geht, wer drin bleibt und wer draußen ist. Vielleicht könnte man sich über all das Primatenverhalten lustig machen, wenn unsere Mitaffen die Jagd nach Macht und Sex nicht genauso ernst nähmen wie wir.
Machiavelli im Blut
Sind Tiere also vielleicht doch die besseren Menschen? Nein sagt Frans de Waal, eine Stadt wie New York könnte man mit Affen nicht machen, die würden einander viel öfter töten als Menschen in dieser Umgebung das tun.
In seinem Buch "Der Affe in uns. Warum wir sind, wie wir sind" beschreibt Frans de Waal in dem Kapitel "Macht. Machiavelli im Blut" - wie zwei Schimpansen einen anderen - ihren Konkurrenten - umgebracht hatten, um ihre Macht zu sichern:
Ich strampelte auf dem Fahrrad einen der raren Hügel in meiner Heimat hinauf und versuchte mich auf den grauenhaften Anblick einzustellen, der mich im Zoo von Arnheim erwartete. Früh am Morgen war ich telefonisch benachrichtigt worden, dass mein Lieblingsschimpanse, Luit, von seinen Artgenossen niedergemetzelt worden war. Mit ihren kräftigen Eckzähnen können Menschenaffen unglaubliche Wunden schlagen. In den meisten Fällen bluffen sie damit nur, das heißt, sie versuchen sich gegenseitig mit der Zurschaustellung der Eckzähne einzuschüchtern, aber gelegentlich folgt dem Bluff die Tat. (...) Luit hatte teuer dafür bezahlt sich gegen zwei andere Schimpansenmänner zu erheben und sie mit seinem steilen Aufstieg zu frustrieren. Jene beiden hatten sich gegen ihn verbündet, um die Macht wiederzuerlangen, die sie verloren hatten. Die schockierende Weise, wie sie ihr Ziel erreichten, öffnete mir die Augen, wie todernst Schimpansen ihre Politik nehmen.
Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 3. Juni 2007, 14:05 Uhr
Buch-Tipps
Frans de Waal, "Der Affe in uns, Warum wir sind, wie wir sind", aus dem Amerikanischen von Hartmut Schickert, Hanser 2006
Frans de Waal, "Der Affe und der Sushimeister. Das kulturelle Leben der Tiere", aus dem Englischen von Udo Rennert, Deutscher Taschenbuch Verlag 2005