Komm, spiel mit

Kleider machen Leute - oder?

Zwischen 19. und 23. Juni findet in Wien das "festival for fashion and photography" statt. Vor dieser Präsentation österreichischer Mode recherchiert die "Stadtgängerin“, was sich modemäßig in Wien tut und plaudert dabei gleich aus der eigenen Schule.

Vor Jahren - ich war noch keine 30, aber eine junge engagierte Journalistin - sagte ein Kollege, der mittlerweile die Hierarchieleiter ganz hinauf geklettert ist: "Tja, wenn Du mal statt Deiner Jeans ein Kostüm tragen würdest, dann hättest Du auch schon Karriere gemacht!" Er selbst kam immer im Anzug. Und wie man - oder besser gesagt: frau - heute sieht, hat sich diese Investition echt gelohnt.

Ich muss gestehen, dass ich nach wie vor nicht im Kostüm komme, aber etwas mehr aufgedirndld als früher schon. Habe entdeckt, dass das auch ein ganz guter Schutzschild sein kann. Warum - wenn ich als Frau schon nicht mit meiner Kompetenz wahrgenommen werde - sollte ich nicht wenigstens die Klischees nach dem Motto "Das Auge isst ja schließlich mit" bedienen? Ein Spiel mit der Oberfläche meines Körpers.

Wie in vielen anderen Zusammenhängen gilt auch bezüglich der Kleidung (und ich spreche noch gar nicht von Mode!) in dieser Stadt: Erhebe Deinen Kopf nicht über das Mittelmaß, werde nicht auffällig, wisse, wo Dein Platz ist. Kleidung als Provokation können sich maximal junge Leute im Was-auch-immer-Stil erlauben.

Wie sehr dieses Denken in der ehemaligen Kaiser- und Residenzstadt verinnerlicht ist, zeigt sich dann auch im Stadtbild: Die Wienerinnen und Wiener sind unauffällig. Einheitsmode à la H&M und Schöps beherrscht die Strassen der Bundeshauptstadt. Weder Extravaganz noch qualitätvolle Stilsicherheit stechen beim Spaziergang ins Auge. Da freut sich frau dann schon mal über ein paar italienische Touristinnen, die ob ihrer Eleganz aus der Menge stechen können.
Warum, warum, warum ist das jetzt schon wieder so?

Selbst die Grande Dame der Wiener Modeszene, die 1990 verstorbene Gertrud Höchsmann, hat einmal festgestellt: "Ich glaube, auch ein Christian Dior hätte von Wien aus seine Ideen nicht durchsetzen können. Haute Couture muss von vielen fleißigen Händen gehegt und gepflegt werden, und wo sie wirklich gedeiht, wird sie auch eifrig gedüngt."

Ich habe mich also wieder - beinahe schon in Selbsttherapie - auf die Suche gemacht, um herauszufinden, was sich modemäßig in Wien tut und bin auf einige sehr erfreuliche Dinge gestoßen. Zum Beispiel auf die Haute Couture von Susanne Bisovsky, die in jahrelanger Sammlerinnenarbeit Mode auf der Basis von alten Wiener Trachten macht. Beinahe schon ethnologisch entwirft sie ein Stück Identität im Einheitsmansch der modischen Demokratisierungsmaschinerie. Uff, ein langes Wort.

Und: Der 7.Bezirk hat wieder mal die Nase vorne. Zwischen Lindengasse und Schottenfeldgasse schießt eine kleine Designer-Boutique nach der anderen aus dem Boden wie Schwammerln. Mit origineller Mode, die auch ein Stück politischer Haltung mitverkauft.

Fazit: es tut sich was. Und Kleider machen Leute, weil die gestaltete Körperoberfläche auch ein gutes Stück Selbstbewusstsein und Eigenwahrnehmung signalisiert. Und davon kann Wien eigentlich gar nicht genug bekommen.

TV-Tipp
Die Stadtgängerin, 6. Juni 2007, 20:45 Uhr, 3sat

Link
3sat - Die Stadtgängerin