Inmitten phantastischer Riesendinger

Staub, Nöte und Lügen

Die zweite Auflage einer Kolumne, nachdem man mir versichert hat, dass es falsch ist, mit der eigenen Hand metertief in den Gatsch zu greifen. Ich bin ein gelehriger Mensch und schreibe das Gatschige um. So wird der Text aber auch nicht besser.

"Dann machen wir, Herr Scheiner, dann machen wir jetzt einmal einen Haushaltsplan und schauen und das einmal an." Freundlich versuchte das zu klingen. Davor aber teilte er mir mit, dass das mit der Umschuldung nix wird, weil ja Konto viel zu weit überzogen und ja ausgemacht war, dass ich bis zum soundsovielten Mai wieder auf dieser oder jener Summe wäre, und Kredit auch noch da, na servus, Herr Scheiner!

Dann bin ich zum Essen verabredet und will vorher Geld abheben, aber der Automat, stumpfer Lakai der fesch und mit straffen Antlitzen gen Osten expandierenden Banken, ist noch stumpfer als die Menschen: keine Behebung möglich. Das Wort Ohrschlauch kommt mir in den Sinn, ich spreche es aber nicht aus, da es sinnlos wäre. In meiner Hosentasche befinden sich zwei Euro und 35 Cent, in meinem Magen befinden sich ein oder zwei Knurren, im Rest des Körpers nichts Flüssiges mehr. Was die Leute reden, der Mensch bestünde aus sehr vielen Prozenten Wasser, ist Humbug - gerade bestehe ich aus Staub und allerlei Nöten.

Stimmt ebenfalls alles nicht.

Ich muss Pipi. Darum gehe ich, mit gestraffter Brust, ins nächste Lokal, dort gehe ich aufs Klo und erledige eine mehrminütige Kontemplation, saufe dann den Wasserhahn leer und nehme zwei Tabletten ein, eine gegen Depressionen, eine gegen Nackenverspannungen, letztere soll angeblich auch Angst mindernd wirken, aber nach einer viertel Stunde zittern beide Hände und die darauf angeschraubten Finger sehr intensiv, der kleine Kaffee, den ich im übernächsten Lokal kaufe, wird dadurch ausgeschüttet, es ist ein sehr schöner Sommertag in Wien. Ich hatte doch gar keine Angst!

Das mit den Tabletten und auch sonst ist alles gelogen.

Die Kellnerin hat zwar Locken, aber wir sehen einander andauernd an, ich glaube, sie will, dass ich mehr bestelle als den Kaffee, zum Beispiel ein Mittagsmenü, ich aber finde nicht den geeigneten Ansatz, ihr zu auseinander zu legen, warum das heute nicht geht, sie hat Locken, aber einen schönen Hals, ein beruhigendes Gesicht und einen ebensolchen Popo. Ob sie mein Zittern auf ihren Popo bezieht? Wahrscheinlich nicht, woher soll jemand wissen, wie geil einen anderen akute Geldnot machen kann. Dann geht sie wieder mal vorbei, ich halte nicht die Luft an, und sie riecht nach Badeschaum, ich denke an den Bankheini, einen Haushaltsplan will er machen, als würde das irgendwas ändern, Schweinebauch. Der Kellnerinnenbauch könnte sich anfühlen wie Rosenquarz, nur vielleicht weniger hart.

Alles Lüge.

Außerdem sind Hosen trügerisch, die bezauberndsten Hosenpöpsche entpuppen sich in Schwindel erregender (und also nicht eben Angst mindernder), zermürbender und ernüchternder Häufigkeit als phantastische Riesendinger, da komm ich dann nicht mit, ist mir zu viel Lebensbejahung auf einmal, mir reichen die Tabletten, die ich ja gar nicht brauche, die kosten auch nicht wenig, obwohl ich sie gar nicht nehme. Ein Freund meinte kürzlich, ich würde immer meine depressive, neurotische Attitüde so raushängen lassen. Er hat bestimmt recht, aber in Wahrheit bin ich einer der vergnügtesten Zeitgenossen auf diesem herrlichen Planeten, der bloß ein wenig Verwirrung stiften will. Warum?

(In Wahrheit bin ich übrigens gar nicht die Ö1 Testmaus.)