Von der Philosophie des Schmähführens.
Lukas Resetarits ist 60
In seinem Geburtsort Stinatz kennt man ihn als Erich. Bei der Kabarettgruppe KEIF wurde in den 1970er Jahren sein zweiter Vorname, Lukas, aktiviert. Seither kennt ihn sein Publikum als Lukas Resetarits. Am 14. Oktober 2007 ist er 60 Jahre alt.
8. April 2017, 21:58
Erich Lukas Resetarits ist Spezialist für Episoden der Weltgeschichte aus der Perspektive des kleinen Mannes. Bekanntschaft mit dem österreichischen Mikrokosmos machte er am 14. Oktober 1947, in der kroatischen Gemeinde Stinatz.
"Es ist so, dass ich am Geburtsschein noch ein Kirisits war", erzählt er. "Meine Eltern haben erst später geheiratet. Die Resetarits, das war die Familie von meinem Vater. Beide galten in Stinatz nicht gerade als reich. An den Kühen gemessen, waren beide Familien dörflicher Mittelstand - bei den Großeltern gab's immer zwei Kühe im Stall.”
Bedürfnis nach Freiraum
Stinatz, wie es Lukas Resetarits in Erinnerung hat, existiert nicht mehr. Die Gemeinde hat sich verändert, ist für ihn zum Ort seiner verlorenen Kindheit geworden. Geblieben ist das Bedürfnis nach Freiraum. Und so wählt er als Ort unserer Begegnung seine Terrasse, in Tulln.
"Wenn die Möglichkeit besteht, dann möchte ich raus. Das Minimum ist ein Balkon oder ein Garten", sagt der Freiluftfan. "Das sind so kindliche Prägungen. Es gilt als erwiesen, dass ich bei Sonnenmangel schlecht drauf bin. Dieses südliche Burgenland, auch die Oststeiermark, das habe ich im limbischen System, dort geht's mir gut. Dort in Stinatz bloßfüßig den warmen Boden zu spüren, das hat mir Kraft fürs ganze Leben gegeben.”
Von Favoriten nach Floridsdorf
1951 wird für Lukas Resetarits und seinen Bruder Willy der 10. Bezirk zum neuen Mikrokosmos. Die Eltern übersiedeln aus Stinatz nach Favoriten, auf den Humboldplatz 10.
"Nach Wien zu kommen, das war für mich ein Schock. Ich konnte mich schon sehr früh gut verbalisieren, habe mit den Erwachsenen in Stinatz Schmäh geführt. Und wie wir nach Wien gekommen sind, haben mich alle angeschaut wie einen Trottel, weil sie mich nicht verstanden haben", erinnert sich Resetarits. "Das hat dazu geführt, dass ich sehr schnell Wienerisch gelernt habe. Im 10. Bezirk war damals 'Krowot' noch ein Schimpfwort. Es sind ja noch genug Restnazis herumgelaufen. Und wenn sie gerufen haben, 'Kroaten raus', dann habe ich mich schon gefürchtet. Aber: Der Druck hat dazu geführt, dass mein Kampfmittel schon früh die Sprache geworden ist."
Anfang der 1960er Jahre übersiedelt die Familie Resetarits zum dritten Mal. Man baut ein Haus, am Bruckhaufen, in Floridsdorf.
Der Geschichtenerzähler
Genau genommen steht Lukas Resetarits schon über 40 Jahre auf der Bühne: Zu Beginn war er gemeinsam mit seinem Bruder Willy Rock'n'Roller bei Gerry and The G-Men. Während seiner Arbeit als Traffic-Officer am Flughafen in Schwechat trat er abends im Wiener Folkclub Atlantis als Conferencier für die Schmetterlinge auf, später war er für zwei Jahre im Kabarett Keif mit Erwin Steinhauer, Wolfgang Teuschl, Alfred Rubatschek und Erich Demmer.
"Die Tradition des Geschichtenerzählens kommt von den schrägen Typen aus Stinatz", erinnert sich Resetarits. "Ich hatte einen Onkel, der hat immer Geschichten erzählt, die haben schon irgendwie gestimmt, aber eben nicht ganz. Zum Beispiel hat er erzählt, die Russen hätten ihn von hinten angeschossen, hätten seinen ganzen Rucksack druchlöchert, nur ihm ist nichts passiert. Die Sache ist die: Man muss etwas erzählen wollen, dann hören die Leute auch zu. Aber das leicht Hingeworfene muss fundiert sein, muss tiefe Wurzeln haben und das Publikum muss diese Wurzeln ahnen."
Für Lukas Resetarits begann Mitte der 1970er Jahre eine kurze, aber intensive Phase des beruflichen Doppellebens. Nach zwölf Stunden Arbeit am Flughafen Schwechat geht es direkt zur Nachtschicht, auf die Bühne. Zwei Jahre spielt er im Ensemble vom Kabarett Keif, tritt gemeinsam mit den Schmetterlingen in der "Proletenpassion" auf und sammelt unter Dieter Haspel Bühnenerfahrung im Ensembletheater.
Stundenlanges Reden
Mit dem Kabarettprogramm "Rechts-Mitte-Links” startet Lukas Resetarits am 26. Oktober 1977 im Konzerthauskeller, in Wien, seine Solokarriere. Die Spieltradition hat er vom Kabarett der Zwischenkriegszeit übernommen, von den Roten Spielern. In früheren Programmen erdachte sich Lukas Resetarits gemeinsam mit seinen Autoren Wolfgang Teuschl und Fritz Schindlecker einen Stellvertreter, einen Billeteur oder Bühnenarbeiter, der in Abwesenheit des Kabarettisten sagte, was zu sagen war. Die Programme begannen mit dem legendären Satz "Es ist bitte Folgendes".
"Meine Methode war immer stundenlanges Reden, die Mühe des Schreibens habe ich früher anderen überlassen", bekennt Resetarits. "Ich kann mich noch erinnern, ich bin bei Wolfgang Teuschl auf dem von ihm gebastelten Sessel gesessen, er am Bett, manchmal haben wir beide eingeschlafen, manchmal stundenlang geredet. Dann sind wir ins Café und haben die Sachen gemeinsam dorthin gebessert, wo ich sie haben wollte."
Erfolg ist, wenn die Leute zuhören
Ab 1980 ermittelte Resetarits für drei Jahre als Polizeimajor Adolf Kottan im Fernseh-Krimi von Helmut Zenker und Peter Patzak. Der damit verbunden Popularitätsschub hatte aber auch seine Schattenseiten. Die Programme von Lukas Resetarits wurden gestürmt, allerdings nicht immer im Sinne des Kabarettisten interpretiert. Die Geschichte von den beiden Gastarbeitern, die in der Straßenbahn darüber streiten, wer nun der bessere Österreicher sei, wurde von einigen als Parodie auf die Protagonisten begriffen. Ein Grund für Lukas Resetarits, diese Szene über viele Jahre aus seinem Repertoire zu streichen.
In den späten 1990er Jahren, nach 17 erfolgreich absolvierten Programmen, ändert Lukas Resetarits auf Anregung seiner Tochter, der Regisseurin und Schauspielerin Kathrin Resetarits, seine Bühnenperformance entscheidend. Das Solo "Ich tanze nicht" wird zum Wendepunkt für den Kabarettisten. Er verzichtet fortan auf Kostümierung und Nummer, beschränkt sich auf das Erzählen von Geschichten und auf den musikalischen Beistand von seinem Langzeit-Musiker Robert Kastler.
Am 17. November 2007 stellt er sein neues Programm "Amerika" im Volkstheater in Wien vor - ein Abend über Politik, Blues und Wiederaufbau, mit Songs von Randy Newman, mit Robert Kastler und dem Streichquartett StringFizz. "Für mich bedeute Erfolg nach meinen ethischen Prinzipien zu leben, das ist in der Nähe des Kantschen Imperativ. Erfolg ist auch, wenn die Leute mir zuhören", meint Resetarits zum Abschluss.
Hör-Tipps
Hörbilder, Samstag, 13. Oktober 2007, 9:05 Uhr
Contra, Sonntag, 14. Oktober 2007, 22:05 Uhr
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