Franz Zeller über die Unmöglichkeit des Multitasking

Eins nach dem Andern

Sprechen Sie von Ihrem Gedächtnis oft so, als wäre es eine Festplatte? Versuchen Sie, so wie ihr Computer, viele Dinge gleichzeitig zu erledigen? Und scheitern sie auch oft daran? Gut so - das ist ein Zeichen, dass Sie richtig ticken.

Sprechen Sie von Ihrem Gedächtnis oft so, als wäre es eine Festplatte? - Dann sind Sie schon in die Falle gegangen. Statt Maschinen menschennah und human zu bauen, müllen wir den Körper mit Maschinenmetaphern zu und glauben dann, dass er so reagiert wie unsere Apparate - vom Computer bis zum Uhrwerk.

Und da Rechner viele Dinge gleichzeitig erledigen, erwarten wir dies auch von uns selber. Die Fähigkeit zum Multitasking, wie das parallele Abarbeiten von Aufgaben in der Computersprache heißt, weist uns im Arbeitsalltag als Leistungsochsen aus und damit als höchst konkurrenzfähig im antiquierten Wirtschafts-Rempelei-Spiel, das uns mit dem Versprechen "Leistung zählt" ködert.

Nur: Menschen sind so gut wie nicht multitasking-fähig. Paradoxerweise haben das unter anderem Untersuchungen an Microsoft-Mitarbeitern gezeigt. Da war der Studienautor Eric Horvitz überrascht, dass jene, die bei ihrer Arbeit durch Anrufe oder E-Mails unterbrochen wurden, nach jeder Störung im Schnitt 15 Minuten brauchten, um wieder in ihr Projekt hinein zu finden.

"Man wird langsamer und die Wahrscheinlichkeit von Fehlern steigt", konstatiert auch David E. Meyer, Kognitionswissenschafter an der University of Michigan. René Marois vom Human Information Processing Laboratory an der Vanderbilt University zwang seine Versuchspersonen, zwei Dinge gleichzeitig zu tun und Antworten auf Fragen zu geben. Im Schnitt brauchten die Multitasker für ihre Reaktion eine Sekunde länger als jene, die nur eine Aufgabe zu erfüllen hatten.

Eine Sekunde: Das scheint nicht viel zu sein. Aber bei Tätigkeiten, die hohe Konzentration erfordern, etwa Autofahren, entscheidet eine Sekunde unter Umständen über Leben und Tod. Lenken und Telefonieren - selbst mit einem Knopf im Ohr - reduzieren die Reaktionsgeschwindigkeit dramatisch.

Grund zum Verzweifeln ist das noch keiner: Unser Gehirn ist noch immer ein unvorstellbarer Kognitionsprotz, bloß: Man sollte halt nicht gleichzeitig Lernen und Musikhören oder ein E-Mail tippen, während man mit dem Kollegen ein Projekt bespricht. Vor allem nicht als Mann. Wie 80 Prozent aller Befragten in einer bereits Jahre zurückliegenden Studie meinten, seien Frauen die besseren Multitasker. Gehirnforscher begründeten deren Vorherrschaft beim gleichzeitigen Bewältigen von Arbeiten mit dem besseren Zusammenspiel der weiblichen Gehirnhälften.

Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass Frauen traditionell mehr leisten müssen, um wahrgenommen zu werden. Multitasking wäre dann so etwas wie eine evolutionäre Strategie, um den Anforderungen der Lebensumwelt gewachsen zu bleiben. Intelligente Männer hingegen könnten ihre Defizite nutzen, um mehr Lebensqualität zu erreichen - indem sie immer eine Sache nach der anderen machen. Wie sagte doch Clint Eastwood alias "Dirty Harry": "Ein Mann muss seine Grenzen kennen."

Franz Zeller ist Leiter der Ö1 Redaktion Matrix

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