Porträt des umstrittenen Wissenschaftlers
Charles Darwin
Charles Darwin gilt als einer der einflussreichsten, aber auch als einer der umstrittensten Naturwissenschaftler. Über Darwin sind viele falsche Ideen in Umlauf Diese Irrtümer zu korrigieren hat sich Eve-Marie Engels mit ihrem Buch vorgenommen.
8. April 2017, 21:58
Über kaum einen berühmten Denker der Weltgeschichte kursieren derart viele Irrtümer, kaum einer erregt nach eineinhalb Jahrhunderten noch derart die Gemüter wie Charles Darwin. Und in keinem anderen Fall wird die Gültigkeit einer anerkannten und vielfach bewiesenen Theorie bis in die Gegenwart immer wieder bestritten.
An dieser Verbohrtheit sind bereits Legionen von Wissenschaftlern gescheitert. Aber wenigstens die falschen Vorstellungen derjenigen, die sich nicht prinzipiell gegen Darwins Lehren verschließen, könnten ausgeräumt werden - mit ein Ziel, das sich die Bioethikerin Eve–Marie Engels gesetzt hat.
Lieber Exkursionen als lernen
Charles Darwin wusste selbst, dass seine Theorie über die Entstehung der Arten von großer Sprengkraft war und hatte jahrzehntelang alles unternommen, um einerseits seinen Ruf als Wissenschaftler zu festigen und andererseits diese Ideen unangreifbar zu untermauern, ehe er sie 1859 veröffentlichte.
Charles Darwin wurde 1809 in ein liberales, wohlhabendes Elternhaus im englischen Shrewsbury hineingeboren. In seinen Studien war er eher unentschlossen, interessierte sich für viele der Naturwissenschaften - Geologie vor allem - und unternahm lieber Exkursionen und Jagden, als zu büffeln. Was seinem Vater, einem anerkannten Arzt, Sorgen bereitete, erwies sich später als überaus nützlich. Als Darwin, 22-jährig, das Angebot erhielt, als Naturwissenschaftler an einer Reise um die Welt auf dem Admiralitätsschiff "Beagle" teilzunehmen, waren ihm seine vielfältigen Interessen und Kenntnisse von unschätzbarem Nutzen.
Weg von gängigen Denkweisen
Charles Darwin hatte schon durch seine vielseitigen Studien Kontakt zu den bedeutendsten Wissenschaftlern seiner Zeit geknüpft. Diese Experten halfen ihm später, die Unmengen Pflanzen, Tiere und Gesteinsproben zu analysieren, die er in Südamerika, auf den Galapagosinseln, in Neuseeland, Australien und auf Madagaskar gesammelt und mit Schiffen der Admiralität nach England geschickt hatte. Zu Darwins Zeiten ging man davon aus, dass Gott alle Arten, die auf der Erde zu finden sind, separat geschaffen habe. Einzig bei den Gestirnen, glaubte man, hätte der Schöpfer Gesetze festgelegt, nach denen die Himmelskörper sich bewegen. Der erste Schritt weg von der gängigen Denkweise war, auch bei der Entstehung der Arten Naturgesetze anzunehmen, die zu ihrer Veränderung und Weiterentwicklung führen. Aber Darwin ging noch weiter.
Eve-Marie Engels hat an der Universität Tübingen den Lehrstuhl für Ethik in den Biowissenschaften inne und ist seit 2001 Mitglied im Nationalen Ethikrat Deutschlands. Ein besonderer Reiz der Beschäftigung mit Darwin sei, schreibt sie, dass bei ihm Naturwissenschaften und Philosophie in mehrfacher Hinsicht verknüpft sind. Er arbeitete frühzeitig Disziplin-übergreifend, bezog sich auf existierende Theorien und baute auf ihrem Fundament auf. Engels beschreibt Darwins Leben und Werk und geht vor allem auf die Entstehung seiner Evolutionstheorie ausführlich ein. Darwin war nicht der Erste, der über den Artenwandel nachdachte, schon sein Großvater Erasmus Darwin und einige andere Wissenschaftler hatten wichtige Vorarbeit geleistet.
Mit Vorurteilen aufzuräumen
Darwin heiratete, nachdem er von seiner fünfjährigen Weltreise zurückgekehrt war, seine Kusine, erwarb ein stattliches Anwesen in Down im Süden Londons, gründete eine große Familie und verließ England nie wieder. Er widmete sich ganz seinen Studien, schrieb eine große Zahl fundierter wissenschaftlicher Werke und parallel dazu, in geheimen Notizbüchern, Gedanken zur Entstehung der Arten und der Abstammung des Menschen. Von seinem Heim aus war er mit der gesamten wissenschaftlichen Welt seiner Zeit in brieflichem, kritischem Austausch.
Engels' Buch über den Denker Darwin ist keine einfache Lektüre, aber sie hilft letztendlich auch, mit eigenen Missverständnissen und Vorurteilen aufzuräumen. Denn viele erwähnen den Namen Darwin, ohne über sein Leben Bescheid zu wissen, jeder spricht von Darwinismus, aber die wenigsten wissen, was dieser Begriff wirklich bedeutet.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Alle Sendungen zu "Projekt Darwin" der kommenden und vergangenen 35 Tage finden sie in oe1.ORF.at
Buch-Tipp
Eve–Marie Engels, "Charles Darwin", C. H. Beck Verlag