Wie sich das Klima verändert

Bald wieder "Grünland"?

Bauen die Grönländer auf ihrer eisigen Insel bald Erdbeeren an? Schmelzen die grönländischen Gletscher so schnell, dass uns das Wasser bald bis zum Hals steht? Ein deutscher Paläoklimatologe über fundierte und phantasierte Grönland-Szenarien.

Grönland ist eine eisige Insel, zumindest vom Weltraum aus. Sieht man genau hin, entdeckt man im Südwesten, nahe bei Kanada, ausgedehnte grüne Küstenzonen mit Tundrenklima.

"Grünland" wurde die Insel von den Wikingern getauft. Sie siedeln sich um das Jahr 1000 herum in Grönland an. Während der mittelalterlichen Warmphase, in der in Europa die Almen besiedelt werden, lassen sie ihre Kühe auf den grünen Küstenstreifen grasen - mangels guter Klimamodelle nur ein paarhundert Jahre lang.

Die letzte Aufzeichnung der Wikinger-Kolonie stammt aus dem Jahr 1408. Nun setzt, wie in Europa, eine Zwischeneiszeit ein. Die klimatisch kritischen Randzonen spüren die Abkühlung zuerst.

Auswirkungen der Klimaerwärmung

Derzeit erwärmt sich das Klima wieder. Die küstennahen grönländischen Gletscher schmelzen doppelt so rasch wie noch vor zehn Jahren. Sie tragen jährlich mit 0,57 Millimeter zum Anstieg des Meeresspiegels bei und dürften bis Ende des Jahrhunderts das Meer um mindestens 15 Zentimeter steigen lassen, weil sich die Schmelze noch beschleunigen wird.

Insgesamt geht das IPCC, das "Intergovernmental Panel on Climate Change", von einem Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 58 Zentimeter bis 2100 aus. Andere meinen, in zwei Jahrhunderten sei das ganze grönländische Eis weg. Das würde das Meer um sieben Meter anheben.

Der deutsche Paläoklimatologe Hubertus Fischer vom Alfred Wegener-Institut in Bremerhaven kann diesem Schreckens-Szenario nichts abgewinnen. "Diese sieben Meter sind nichts, womit wir in den nächsten 500 Jahren zu rechnen haben."

An- und absteigenden Temperaturen

Der Meeresspiegel steigt vor allem, weil sich das Meer durch die Erwärmung ausdehnt. In zweiter Linie sind es die alpinen Gletscher, die unwiderruflich abschmelzen dürften.

Hubertus Fischer nutzt Eisbohrkerne als Klimaarchive. Ein 120.000 Jahre alter Eiskern aus Grönland hat jüngst gezeigt, dass das Klima auf der Nordhalbkugel wie durch eine Schaukel an jenes auf der Südhalbkugel gekoppelt ist.

Wenn Grönland kalt wird, erwärmt sich die Antarktis, und umgekehrt. Vor allem während der Eiszeiten gab es in Grönland innerhalb weniger Jahrzehnte Temperaturerhöhungen um 10 bis 15 Grad.

Die "Klimaschaukel"

Verantwortlich dafür ist die thermische Umverteilung in den Weltmeeren. Wenn der Golfstrom stärker ist, gelangt mehr Wärme in den Norden - Wärme, die der Südhalbkugel fehlt. Sie kühlt daher ab. Diese "Klimaschaukel", wie sie in einer Nature-Veröffentlichung genannt wird, kehrt sich dann wieder um. Der Norden kühlt ab, während sich die Südhalbkugel erwärmt.

Die globale Erwärmung überdeckt den Effekt der Klimaschaukel momentan etwas. Der Treibhauseffekt könnte die Klimaschaukel aber wieder anstoßen und damit zu einer leichten Abschwächung der Erwärmung im Norden führen. Nach Meinung Fischers wird dieser selbstregulierende Mechanismus die vom Menschen verursachte Erwärmung auf der Nordhalbkugel aber nicht ausgleichen können.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 29. Oktober 2007, 19:05 Uhr