Wettlauf der Rohstoffindustrien

Die Flagge am Nordpol

Laut Schätzungen befinden sich 25 Prozent der vorhandenen Erdöl- und Erdgasreserven in der Arktis. In der Polarregion gibt es aber auch noch andere Rohstoffe: Bauxit, Kupfer, Kohle oder Diamanten. Der Kampf um diese ungehobenen Schätze hat begonnen.

Russland setzte auf eine Show, wie sie die Amerikaner bereits bei der Mondlandung vorgezeigt haben: Am 2. August 2007 taucht ein kleines U-Boot auf 4.261 Meter Tiefe unter dem Nordpol. Die Besatzung der MIR-1 pflanzt eine russische Nationalflagge aus Titan auf den arktischen Meeresboden und feiert diese Geste wie ein nationales Großereignis.

Russland will mit dieser historisch ersten Tauchfahrt auf den Meeresgrund unter dem Pol seinen Anspruch auf zwei Drittel des rohstoffreichen Polargebiets untermauern.

Schnelle Kasse am Pol

Dabei hat Russland schon einen gewaltigen Startvorteil: Auf der Insel Sachalin, im Nordosten Russlands, lagern die vermutlich größten Öl- und Gasvorkommen der Welt. Sachalin wurde auch für die Proteste der indigenen Ureinwohner bekannt, die sich gegen die Ausbeutung ihres Landes wehrten.

Duane Smith, kanadischer Präsident des "Inuit Circumpolar Council”, hat schon einige Erfahrung mit Projekten, in denen Rohstoff-Firmen im Gebiet der Inuit schnell Kasse machten: "Wenn die Firmen ihre Ziele erreicht haben, packen sie ihre Ausrüstung zusammen und ziehen wieder ab. Dann geht's wieder bergab. Dann ist nichts mehr von dem da, woran sich die Leute gewöhnt haben: kein regelmäßiges Einkommen, nichts. Das ist ein furchtbarer Zyklus, in dem es nur eine kurze Hochphase gibt."

Erdgas verflüssigen

Technisch gesehen ist die Arktis eine große Herausforderung für die Rohstoff-Industrie, es mussten neue Technologien entwickelt werden, um das Erdgas transportieren zu können. Vor allem die Norweger haben neue Maßstäbe gesetzt, indem sie Erdgas verflüssigen, sagt die Ölexpertin Karin Kneissl. Und dank der Eisschmelze können die Tanker in Zukunft ein viel größeres Areal befahren. Schon bis zum Jahr 2015 könnte die Nordwestpassage in den Sommermonaten eisfrei sein.

Öl aus Teersand

Das flüssige Erdgas ist nicht die einzige neue Energiequelle aus dem hohen Norden. Öl aus Teersand ist das so genannte "unkonventionelle Erdöl"- damit ist das Erdöl gemeint, das im verschmutzten Sand oder in Sedimentschichten im Gestein lagert. Dieses unkonventionelle Erdöl wird gegenwärtig vor allem in Kanada abgebaut.

Diese Technologie ist allerdings ökologisch fragwürdig. Während Umweltschützer zu einem Moratorium aufrufen, hat die Ölindustrie ehrgeizige Pläne: Bis 2015 soll ein Viertel der Ölproduktion Nordamerikas aus Teersand kommen. Die USA hoffen mit Hilfe Kanadas von den Importen aus Nahost unabhängig zu werden, so die Energie-Expertin Karin Kneissl.

Abbaurate verbessern

Es gibt derzeit große Bemühungen, die Abbaurate in den Erdölfeldern zu verbessern, derzeit liegt sie unter 50 Prozent. Karin Kneissl, Autorin des Buches "Der Energiepoker", stellt sich daher die Frage, ob es nicht sinnvoller und auch kostengünstiger wäre, die Effizient zu steigern, bevor ein exorbitant teurer Rohstoffabbau in der Arktis betrieben wird.

Nachhaltige Entwicklung

Duane Smith geht es um eine nachhaltige Entwicklung in der Arktis. Er hofft für sein Volk, die Inuit, dass auch sie vom Reichtum, der im Polargebiet verborgen ist, profitieren könnten: "Man muss sich vor Augen halten, dass die Menschen in dieser Region, vor allem die Inuit, die in der ganzen Polarregion leben - von Kamtschatka bis Grönland - schon tausende Jahre dort leben. Wenn man jetzt also einen neuen Anlauf Richtung Rohstoffe unternimmt, dann muss man die Inuit berücksichtigen, weil es unsere Umwelt und unseren Lebensraum beeinflusst und durch Ausbeutungsversuche auch unser Leben verändert."

Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 27. November 2007, 19:05 Uhr

Link
Gesellschaft für bedrohte Völker - Die Arktis schmilzt und wird geplündert. Menschenrechtsreport Nr. 44