Massive Eingriffe in ein Ökosystem
Von der grünen Wüste zum weißen Papier
Eukalyptus ist ein schnell wachsender Baum. Er wird in vielen Ländern in Monokultur für die Zellstoffproduktion angebaut. So auch in Brasilien. Welche Auswirkungen haben diese von den Gegnern "grüne Wüsten" genannten Plantagen auf die Umwelt?
8. April 2017, 21:58
In Südeuropa und auch in Südamerika wird der Eukalyptusbaum gerne wegen seiner Schnellwüchsigkeit gepflanzt. Mehr als 200 Arten dieses Baumes sind bekannt. Seit vielen Jahren wird Eukalyptus auch in Brasilien angebaut, erzählt Winni Overbek von der nichtstaatlichen Organisation "Fase" in Vitória: "Der Baum wurde erst ein Problem als die Industrie ihn zu einer Quelle von Zellstoff für die Papierherstellung machte. Da wuchs der Markt. Seine Hauptabnehmer sind Europa und USA. Da begann auch die Regierung die großen Pflanzungen zu fördern."
Flüsse versiegen, Arten sterben
Eines, der dadurch, entstandenen Probleme: die Eukalyptusbäume entziehen dem Boden sehr viel Wasser. In Niederschlagsreichen Regionen ist das kein Problem, in Regen ärmeren Landstrichen führt der hohe Wasserverbrauch der Eukalyptusbäume aber zur Austrocknung der umliegenden Gewässer. Viele Flüsse sind versiegt.
Ein weiteres Problem: die Eukalyptusbäume verdrängen die traditionellen Pflanzen in ihrer Umgebung. So pflanzen zum Beispiel die Eukalyptusfirmen in der Region von Rita Soares ihre Bäume auf den ebenen Flächen der Hochebenen an. Die ländlichen Gemeinschaften in den Tälern sind aber auf ihre Hochplateaus angewiesen, wo die typischen Kräuter- und Baumarten der Hochebene wachsen, und wo die einheimischen Früchte, Nüsse und Kräuter sammeln.
Umweltverschmutzung durch Zellstoffherstellung
Obwohl Baumwolle, Hanf und Leinen zu über 90 Prozent Zellulose enthalten wird trotzdem Papier inzwischen weltweit hauptsächlich aus Holz gewonnen, das viel weniger Zellulose enthält. Der Zellstoff aus Eukalyptus wird im so genannten Sulfatverfahren gewonnen. Beim Eindampfen der Lauge am Ende des Aufschlussprozesses entsteht Schwefelwasserstoff. Weltweit werden achtzig Prozent der Zellulose mit dem Sulfatverfahren hergestellt.
In Europa wird dieses Verfahren jedoch aus Umweltschutzgründen vermieden. Papier, das in der europäischen Region hergestellt wird, nutzt zu einem großen teil Altpapier als Grundsubstanz, der Rest wird als Frischfaser dazugekauft.
Um den Zellstoff für das Papier weiß zu bekommen, muss er gebleicht werden. Die früher vorherrschend angewandte Chlorbleiche ist wegen der Giftigkeit des Chlors weltweit fast nirgendwo mehr üblich. Trotzdem wird statt der unschädlichen Sauerstoffbleiche immer noch eine die Umwelt belastende so genannte Chloroxyd-Bleiche angewandt. Dabei gelangt zwar kein elementares Chlor mehr in die Umwelt, stattdessen aber andere Chlorverbindungen. Und diese sind immer noch schädlich.
Wie kann der Papierverbrauch eingedämmt werden?
Der Papierverbrauch pro Kopf lag im Jahr 2005 in Westeuropa bei 188 kg und weltweit bei 56 kg. In Österreich verbrauchte im Jahr 2005 jede Person im Durchschnitt 277 kg Papier. In vielen ärmeren Ländern wird wesentlich weniger Papier verbraucht als in reichen Ländern. Zurückzuführen ist dieser Umstand, laut Peter Gerhardt von der Umweltschutzorganisation Robin Wood, auf den Verpackungskonsum und den exzessiven Verbrauch von Hygienepapieren wie Papiertaschentücher, Klopapier, Kosmetiktücher oder Babywindeln.
Neben Recyclingpapier im Büro und auf der Toilette empfiehlt Peter Gerhardt Stofftaschentücher, statt Papiertaschentücher. Das sei das Engagement gegen die schädliche Zelluloseproduktion, die in Europa geleistet werden könnte. In Brasilien muss ein weiterer Schritt getan werden, meint Winni Overbek. Das Land muss mit alten, ursprünglichen Arten, wieder aufgeforstet werden.
Wiederbelebung der Artenvielfalt
Die Artenvielfalt ist in der Umgebung der brasilianischen Eukalyptusplantagen in den letzten 40 Jahren sehr geschrumpft. Nicht nur das wertvolle Brasilholz, aus dem Geigenbögen hergestellt werden, ist fast ausgestorben. Auch gewöhnliche Frucht- und Nussbäume sind kaum mehr anzutreffen.
Die "Mata Atlântica", der brasilianische Küstenurwald, der die Küstengebiete und den gesamten Süden Brasiliens bedeckte, ist ein subtropischer Urwald. Die verbliebenen sieben Prozent dieses Waldes geben Aufschluss über seinen enormen Artenreichtum: Über 450 verschiedene Baumarten fanden Forscher auf einem einzigen Hektar des Waldes im Bundesstaat Bahia. Kartierungen zeigen, dass in gleich großen Gebieten des Atlantischen Regenwaldgürtels die Artenvielfalt größer ist, als in einem vergleichbaren Gebiet im Amazonas. Der Atlantische Regenwald hätte einst Frankreich zweimal bedecken können. Doch heute ist davon nur noch eine Fläche so groß wie Österreich geblieben.
Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 4. Dezember 2007, 19:05 Uhr