Käsesauce ohne Gorgonzola
No Roquefort, mon amour
Kleine Kinder mögen vielleicht ihren Spinat nicht, ich kann mich minutenlang über blauen Schimmelkäse aufregen und wild mein Besteck ins Essen werfen. Ich will Edel ohne Schimmel. Alles andere wächst im eigenen Kühlschrank sowieso.
8. April 2017, 21:58
Mein Kollege W. macht was mit mit mir - auch wenn wir in der Kantine essen. Das geschieht durchschnittlich fünfmal in der Woche und läuft immer gleich ab: Nicht nur, dass ich immer in Windeseile fertig gegessen habe und wieder aufstehen möchte, er ist auch meistens live dabei, wenn ich wieder der Gorgonzolasauce zum Opfer gefallen bin. Auf mein angewidertes "Das ist schon wieder Gorgonzola!" hat er stets ein "Was hast du gedacht?" übrig. - "Na, Käsesauce, kein Gorgonzola. Oder Estragon!" Dann entwickelt sich eine Debatte, dass das ja wirklich Käsesauce sei, und ich entrüstet dem Blauschimmel seinen Käsestatus abspreche. Das ist Schimmel! Kein Käse.
Tatsächlich war es in den letzten 365 Tagen ein einziges Mal Estragonsauce, und daran will ich weiter glauben, mich festklammern, um so nicht immer mein Essen trocken verzehren zu müssen. Ich kann Gorgonzola nämlich nicht essen. Wieso essen überhaupt die anderen ihn? Man schmiert sich den Schimmel an der Wand auch nicht aufs Brot. Ich weiß, Blauschimmel ist Edelschimmel, eine genießbare Aufwertung eines Milchproduktes. Für alle anderen schmeckt er nach Edel, für mich nach Muffel und Schimmel. Als hätte jemand die alten Socken durch den Rucolasalat gezogen.
Dabei esse ich auch Weißschimmelkäse. Sehr gerne sogar. Gut, ich schneide mir immer die weiße Rinde ab, aber das zeugt nur von Stil. Ich habe einmal ein Mitglied einer famosen Käseriege gesehen, der meinte, das mache man so. Der Schimmel würde sonst den Geschmack verderben. Ha! Mein Freispruch! Sag' ich doch. Rotschimmel geht übrigens auch überhaupt nicht.
Nein, sonst bin ich überhaupt keine schwierige Esserin. Klingt vielleicht nur so. Mich interessiert ehrlich alles. Ich persönlich würde auch Gorgonzola und Verwandte essen, allein mein Geschmackssinn führt sich wie ein Irrer auf (Schweig, Kollege W.!). Dabei habe ich schon Entwicklungsschritte gemacht. Nach jahrelanger Weichkäseaffinität (die nichtssagenden Sorten, die andere als Gummi bezeichnen mögen), bin ich begeisterte Ziegenkäse-Esserin geworden. Kann streng schmecken, ist aber gesund. Streng und gesund ist ohnehin eine klassische Paarung. Nur so schafft man es, dass so mancher Kohlsprossen isst.
Der menschliche Geschmackssinn lernt und reift mit den Jahren. So können erst Mittzwanziger zum Beispiel gewisse Bitterstoffe so richtig wahrnehmen. Daher reißt man kein sprichwörtliches Leiberl mit Radicchio bei jüngeren Menschen. Für die ist der rote Salat mit seinen feinen Bitterstoffen nur eine Zumutung. Ich kann also noch hoffen. Vielleicht kommt ja mit der Midlife-Crisis der Sinn nach schwerem Cognac und verschimmelten Milchprodukten. Oder: Der Rest der Welt erkennt, was sie da eigentlich essen. Das ist natürlich eher mein Zugang.