100 Jahre Venus von Willendorf
Die Frau von W.
Mit einem Alter von etwa 27.000 Jahren zählt die steinzeitliche Frauenfigur zu den weltweit bekanntesten Kunstwerken aus Österreich. Die elf Zentimeter große Kalkstein Figur wurde im August 1908 beim Bau der Eisenbahnstrecke Krems-Krain entdeckt.
8. April 2017, 21:58
Die Venus von Willendorf ist wohl die einzige Frau mit einem Bodymass-Index von über 50, die weltweit Verehrung und Bewunderung genießt. Der vollbusigen Plastik mit der üppigen Vulva, der feingemeiselten Kopfbedeckung und den kurzen, fettgepolsterten Stummelbeinen hat Walpurga Antl-Weiser viele Jahre ihres Forscherlebens gewidmet.
Die Wissenschaftlerin von der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien kennt die kleine Steinfigur aus der Eiszeit so gut wie niemand sonst, viele bezeichnen sie als ihre Gralshüterin. "Aus dem wichtigsten Fundstück der Grabung Willendorf 1908 ist eine Ikone geworden, die im Original betrachtet noch immer ehrfürchtige Schauer hervorruft", schreibt sie darinüber das Objekt ihrer Studien.
Spurensuche
Die Venus von Willendorf ist nicht die einzige überlieferte Frauenfigur aus der Steinzeit, und sie ist mit einem Alter von 27.000 Jahren auch nicht die älteste. Dennoch gilt sie als einzigartig.
Seit Jahren untersucht die Prähistorikerin jede Kerbe, jeden Schnitzer auf der Steinfigur und kann inzwischen ziemlich genau sagen, wie sie hergestellt wurde. Zuletzt wurde auch eine Untersuchung in Auftrag gegeben, herauszufinden, wo das Material herkommen könnte, aus dem die Venus gehauen wurde. Erste Ergebnisse legen nahe, dass der Oolith, ein Kalkstein, aus Mähren kam.
Beschränkte Erkenntnisse
Das, was die Wissenschaft mit Sicherheit über die gut zehn Zentimeter große Plastik sagen kann, ist stark beschränkt. Die besondere Ausstrahlung der Venus geht aber weit über logisch begründbare Aussagen hinaus, diese Erfahrung macht Walpurga Antl-Weiser immer wieder. Zum Beispiel, wenn Künstler sie um die Erlaubnis für ein stundenlanges tète-à-tète mit der Venus zur Inspiration für eigene Werke bitten.
Viele Interpretationen gibt es für die Bedeutung Venus von Willendorf. Sie reichen vom Totem für einen Ahnenkult bis zum Symbol für Fruchtbarkeit. Was sie wirklich war, kann heute niemand sagen, stellt Walpurga Antl-Weiser klar.
Bunt bebildert gibt Walpurga Antl-Weiser in ihrem Buch zum Fundjubiläum einen Überblick darüber, was man über das Leben in der Eiszeit weiß und vermittelt so einen Eindruck davon, in welcher Welt "Die Frau von W." entstanden ist. Und schließlich im Erdreich verschwand. Bis rund um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Altsteinzeitforscher in Willendorf an der Donau mit organisierten Grabungen begannen.
Wissenschafter sind auch nur Menschen
Am Abend des 7. August 1908 feierten die drei Grabungsleiter Josef Szombathy, Josef Bayer und Hugo Obermaier ausgelassen gemeinsam einen spektakulären Fund. Es war allen klar, dass ihnen mit der Frauenfigur ein besonderer Schatz in die Hände gefallen war. Die Frage, wer genau denn nun die Venus aus ihrem Jahrtausende währenden Dornröschenschlaf erweckt und ans Tageslicht befördert hätte, führte jedoch nur wenig später zu Vertuschungsversuchen und widersprüchlichen Darstellungen. Oder, in den Worten der Venus-Forscherin:
Viele der Ungereimtheiten sind deshalb entstanden, weil auch die ehrwürdigen Ahnherren unserer Forschung nicht frei von Eitelkeit waren und so versucht haben, in der ganzen Geschichte dieses so bedeutenden Fundes einen möglichst wichtigen Platz einzunehmen.
Dabei war es keiner drei Herren, der die Figur persönlich aus dem Löss barg. Sondern einer der angestellten Taglöhner, der Arbeiter Johann Veran. Mit der detailliert wiedergegeben Geschichte der Auffindung der Venus von Willendorf zeigt Walpurga Antl-Weiser nicht nur, wie die anfänglich als Lösskindl bezeichnete Steinfigur zum berühmtesten prähistorischen Kunstwerk wurde. Zahlreiche Auszüge aus Briefen der Beteiligten bieten außerdem Einblick in Wagnisse, Höhen und Tiefen der altsteinzeitlichen Schatzsuche.
Hör-Tipps
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Radiokolleg, "Die Welt der Mammutjäger", Montag, 28. April 2008 bis Mittwoch, 30. April 2008, 9:30 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at