Thomas Bredenfeld über Auswüchse des Markenrechts

Patent auf Farbe

Logos und Markenzeichen sind ein wichtiges Mittel in Werbung und Kommunikation, um Identität und Wiedererkennbarkeit herzustellen. Im heutigen Konsumverhalten sind nicht nur die gekauften Waren, sondern auch deren Marken wichtiger Teil des Lifestyles.

Designer, Grafiker und Marketingspezialisten stecken viel Energie und Kreativität in Corporate Design und Firmen geben dafür viel Geld aus. Dass diese Investitionen geschützt werden sollen, ist nachvollziehbar.

Für diesen Schutz kreativer Leistungen und wichtiger Unterscheidungsmerkmale im Wettbewerb gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, vor allem im Marken- und Patentrecht. Der Zweck des legitimen Schutzes einer Marke kann aber auch gehörig überstrapaziert werden. Eine Geschichte, die gerade dadurch, dass sie nicht neu ist, sondern noch immer andauert, zeigt die ganze Absurdität, die hinter dem Missbrauch solcher Markenrechte stecken kann.

Über Scherze, sich das Ergebnis der Aufgabe 1 + 1 oder ähnliche Trivialitäten patentieren zu lassen, wurde und wird noch immer viel gelacht, vor allem im Hinblick auf das US-Patentrecht, das in dieser Richtung teilweise haarsträubende Dinge erlaubt. In Europa aber geht das auch.

Dies demonstriert mit einer befremdlichen Hartnäckigkeit das größte deutsche Telekommunikationsunternehmen seit etlichen Jahren. Dass der Buchstabe "T" und ein paar kleine Quadrate daneben als Logo markenrechtlich schützenswert sind, kann jedermann gern akzeptieren. Das reicht aber offenbar nicht.

Einem kleinen Düsseldorfer Verlag, der 2001 ein Books-on-Demand-Projekt gestartet hat und dieses in Tageszeitungen mit Anzeigen in schwarzer Schrift unter anderem auf magenta-farbenem Hintergrund getan hat, flatterte recht bald ein Anwaltsschreiben ins Haus, in dem das Telekomunternehmen dem Verlag den Gebrauch der Farbe Magenta bei seiner Werbetätigkeit per Abmahnung untersagt.

Eine angedrohte Strafe bei Zuwiderhandlung in fünfstelliger Höhe und eine Festlegung des Streitwertes im Klagefall auf eine halbe Million Euro sollten dem Schreiben den nötigen Nachdruck verleihen und dem Vier-Personen-Startup gehörig Furcht vor dem Telekomriesen einjagen. Die ließen sich jedoch nicht schrecken und es auf eine Klage ankommen.

Das erste Verfahren hat das Großunternehmen verloren und ist in Berufung gegangen. Nachdem der Fall im Internet bereits viel Staub aufgewirbelt hat und der kleine Verlag gute Chancen hatte, im Berufungsverfahren ebenfalls zu siegen, musste der Konzern befürchten, dass es einen Präzedenzfall gibt - noch dazu mit viel Publicity.

Kurz vor der Urteilsverkündung hat er die Klage zurückgezogen und damit eine Entscheidung über die Verfahrenskosten vereitelt. Der Kleinverlag ist auf 60.000 Euro Anwalts- und Prozesskosten sitzen geblieben. Ein netter Trick, mit dem Konzerne, die das nötige juristische Spielkapital haben, kleinere Existenzen ruinieren können, ohne im Verfahren selbst Recht bekommen zu haben.

Nach diesem Schema ist es munter weitergegangen: Selbst der Gebrauch des Buchstabens "T" als Großbuchstabe im Firmennamen wird geklagt. Viele haben sich angesichts der bedrohlichen anwaltlichen Kulisse gefürchtet und Zugeständnisse gemacht. So hat zum Beispiel eine bekannte Elektronikkette mit einem zwinkernden Hund als Markenzeichen dieses Logo ändern und seine Firmenfarbe ins Rote verschieben müssen.

Aktuelles Beispiel in diesem Abmahnzirkus ist das amerikanische Blog engadget.com, das über neue Trends, Soft- und Hardware im Bereich mobiler Kommunikationsmittel berichtet. Zu Kaufen gibt es dort nichts. Trotzdem haben auch sie Post aus Deutschland bekommen, weil sie die Farbe Magenta verwendet haben und dies dreisterweise zusammen mit dem Wort "mobile". Die Macher von engadget haben es sich nicht nehmen lassen, gleich die ganze Seite in dieser Farbe zu gestalten und auch noch den Großbuchstaben "T" zu verwenden. Zudem haben Sie den Anwaltsbrief ins Netz gestellt, um die Arroganz der Konzernmacht sichtbar zu machen.

Mittlerweile häufen sich Websites und Blogs von Designern und Web-Aktivisten, wie freemagenta.nl, die sich entweder über den deutschen Telefonriesen nur noch lustig machen und genüsslich die Folgen veranschaulichen, wie es ausschauen könnte, wenn man mit Magenta eine der vier Druckfarben nicht mehr verwenden darf.

Andere aber sehen in solchen Fällen eine neue Qualität pervertierter Rechtsprechung und machen deren Urheber weniger in der Bonner Konzernzentrale aus als an den Regierungsschreibtischen in Berlin, Brüssel und anderswo - bei einer Politik, die einen solchen Unfug überhaupt erst möglich macht.

Inzwischen scheinen solche Beispiele allerdings weiter Schule zu machen. Das Braun des Spediteurs UPS und das Dunkelblau von Tiffany sind schon weg. Die beiden Grüntöne Pantone 368 und 362 gehören der Dresdner Bank. Und die oberösterreichische Oberbank hat gerade einen Rechtsstreit mit den Deutschen Sparkassen laufen, die das leuchtende Rot HKS 12, eine ebenfalls im Druck sehr häufig verwendete Farbe, für sich als Markenzeichen haben schützen lassen.

Auch Andrea Konrad aus "Taxi Orange" tut gut daran, ihre Frisur nicht mehr in einer geschützten Farbe zu tönen. Und wenn sie es doch tut, sollte sie beim Telefonieren aufpassen, dass das Handy nicht zu nah an Ihren Haaren ist. Es könnte ein markenrechtlich bedenklicher Zusammenhang hergestellt werden.

Thomas Bredenfeld ist freiberuflicher Medienproduzent, Autor und Künstler.

Links
Reklamehimmel.de
my favourite book.com
Reclaim Magenta
free magenta
Deutsche Telekom - T-Mobile demands Engadget Mobile discontinue using the color magenta
Engadget.com

Übersicht