Optische Revolution durch Metamaterialien

Superlinsen und Tarnkappen

Allzu oft kommt es nicht vor, dass die Physikbücher neu geschrieben werden müssen. 2001 war es wieder mal soweit: US-Forscher präsentierten damals einen Designer-Werkstoff, der Licht in eine Richtung lenkt, die eigentlich gar nicht erlaubt ist.

Im Jahr 2001 präsentierten kalifornische Forscher einen Designer-Werkstoff mit bemerkenswerten Eigenschaften. Seine periodisch angeordneten Drahtschleifen lenkten Licht in eine Richtung, die laut klassischer Optik gar nicht erlaubt ist.

Das Experiment bestätigte 30 Jahre zurück liegende theoretische Überlegungen des Russen Viktor Veselago und gab den Startschuss für den Boom eines neuen Forschungsgebietes: Metamaterialien - strukturierte Verbundwerkstoffe, deren maßgeschneiderte optische Eigenschaften gerade dabei sind, die Kontrolle von Licht, Mikro- und Radarwellen zu revolutionieren. Denn diese Materialien könnten einerseits für ungeahnten Durchblick sorgen, andererseits aber auch Gegenstände unsichtbar machen.

Der britische Wissenschaftler Sir John Pendry war einer der Ersten die sich mit Metamaterialien beschäftigten, er entwickelte auch bei einem Vortrag die Idee einer Tarnkappe aus Metamaterialien. Damals wollte er allerdings nur illustrieren, welche Chancen zur Kontrolle elektromagnetischer Strahlung diese neuartigen Materialien eröffnen.

Was sind Metamaterialien?

Wenn man die optischen Eigenschaften von Glas verändern will, dann ändert man die chemische Zusammensetzung. Bei den Metamaterialien geht man einen Schritt weiter und verändert die innere Struktur, indem man künstliche Elemente einbaut.

Die neuartigen Verbund-Werkstoffe bestehen also aus einem Trägermaterial wie Glas oder Plastik, in das Myriaden winziger Metallstrukturen eingebettet sind: Stromleitende Drähte oder Hufeisen, deren Form und Anordnung entscheidet, wie stark sie elektromagnetische Wellen vom Kurs abbringen. Dass sich die optischen Eigenschaften auf diese Weise maßschneidern lassen, eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Kompaktere Objektive und hochauflösende Linsen sind denkbar.

Die Umleitung des sichtbaren Lichtes

Dem Physiker Stefan Linden von der Universität Karlsruhe gelang 2007 eine weitere Sensation. Er und sein Team fertigten in ihrem Labor das erste Metamaterial, das sichtbares Licht in die falsche Richtung bricht.

Dabei handelt es sich um beschichtete Glasplättchen mit metallisch schillernden Bereichen vom Format eines Staubkorns. Die in den Metallfilm geätzten Drahtmuster bilden Strukturen, die intensiv mit rotem Licht wechselwirken. Bei einer bestimmten Lichtfarbe kommt es dabei zu so genannten Resonanzen. Die filigranen Drähte wirken dann wie kleine Antennen, in denen das Licht die Elektronen zittern lässt. Dadurch entstehen Ströme, die ihrerseits wieder eine elektrische und magnetische Kraft erzeugen, die das einfallende Licht vom Kurs bringt. Und zwar genau so, wie man es von einem Medium mit negativer Brechzahl erwarten würde.

Aber noch ist das alles Grundlagenforschung. Für Anwendungen sind die Verluste zu hoch. Selbst der momentane Weltrekordhalter, die Netzstruktur aus Karlsruhe, schluckt einen Großteil des einfallenden Lichtes. Außerdem wären für neuartige Linsen oder Tarnkappen, die Flugzeuge unsichtbar machen könnten, große, räumliche Strukturen notwendig. Die heutigen optischen Metamaterialien sind dagegen nur haarfeine Filme.

Aufbruch in neue Dimensionen

Metamaterialien haben das Zeug, der Optik völlig neue Dimensionen zu eröffnen. Zum Beispiel in Form so genannter Superlinsen, die ungewöhnlich detailreiche Abbildungen möglich machen. John Pendrys Überlegungen zufolge, lässt sich mit Metamaterial-Linsen nämlich das Abbey'sche Beugungslimit umschiffen. Es besagt, dass unter einem Mikroskop prinzipiell keine Details zu erkennen sind, die deutlich kleiner sind, als die Wellenlänge des Lichtes, mit dem das Objekt beleuchtet wird.

Experimente belegen: Es funktioniert tatsächlich. Die beste bislang erreichte Auflösung betrug ein zwanzigstel der Lichtwellenlänge. Die Bilder sind also deutlich schärfer als mit normalen Optiken. Wenn sie die Bilder mit und ohne Metamateriallinse vergleichen, ist das, als ob sie ihre Brille aufsetzen.

Die Tarnkappe - Science Fiction?

Die Entwicklung einer optischen Tarnkappe, die Menschen oder Flugzeuge unsichtbar macht, ist aber noch in weiter Ferne. Denn um ein Objekt unsichtbar zu machen, müssen Lichtstrahlen um es herum geleitet werden. Und zwar so, dass sie sich dahinter wieder vereinen, als ob nichts gewesen wäre. Dazu muss sich der Brechungsindex der Tarnhülle mit wachsendem Abstand vom zu verbergenden Gegenstand kontinuierlich verändern. Eine knifflige Angelegenheit, zumal die Hülle möglichst kein Licht reflektieren oder absorbieren darf.

Selbst bei den deutlich leichter zu lenkenden Mikrowellen, ist die Aufgabe alles andere als trivial. Weshalb es 2006 Wirbel machte, als John Pendrys Kollege David Smith die weltweit erste Tarnkappe für Mikrowellen präsentierte. Er hat einen Tarnzylinder entwickelt, mit dem es möglich ist, Mikrowellen einer bestimmten Wellenlänge um ein Metallobjekt herum zu leiten, das im Zentrum des Zylinders platziert wird. Die Mikrowellen vereinigen sich hinter dem Objekt wieder und pflanzen sich dann beinahe so fort, als ob nichts gewesen wäre.

Das Versteckspiel gelingt bislang aber nur in zwei Dimensionen. Jemand, der von oben auf die Tarnvorrichtung schaut, würde das verborgene Objekt sofort erkennen.

Ein kleines Manko

Einen computergesteuerten Messplatz, um die künftigen, kugelförmigen Tarnbehälter zu testen, haben die Forscher bereits aufgebaut. Jetzt fehlen nur noch die 3D-Tarnkappen. Doch selbst wenn es die dann gibt, ein entscheidendes Manko bleibt bis auf weiteres: Die filigranen Kupferschleifen tun nur bei ganz bestimmten Wellenlängen das, was sie sollen, erklärt Stefan Linden aus Karlsruhe.

"Das heißt, man könnte sich dann vorstellen, dass man für Rot unsichtbar wird, wäre dann allerdings sehr schön weiter für grünes oder blaues Licht zu sehen. Zudem haben diese Tarnmäntel noch einen weiteren Nachteil: wenn man von außen nicht gesehen wird kann man genauso wenig aus dem Inneren des Tarnmantels nach außen sehen. Das heißt man ist dann auch entsprechend blind."

Eine Erkenntnis, die das US-Militär gleichwohl nicht davon abhält, die Entwicklung von Tarnkappen für Mikro- und Radarwellen voran zu treiben.

Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 20. Mai 2008, 19:05 Uhr