Wettbewerbsbeiträge aus Italien
Politik(er) als Film-Thema
Vor allem die italienischen Beiträge im Wettbewerb um die goldene Palme der Filmfestspiele Cannes beschäftigen sich mit den Politikern des Landes. Als Favorit gilt in Journalisten-Kreisen aber nach wie vor der türkische Film "Die drei Affen".
8. April 2017, 21:58
Mit der Vermischung von Mafia und Politik und deren sozialen Auswirkungen beschäftigt sich das italienische Kino im Wettbewerb der 61. Filmfestspiele in Cannes. "Gomorrah" zeigt im Wettbewerb die Mechanismen und Auswirkungen der Camorra, Paulo Sorrentinos Film "Il divo" konzentriert sich auf Italiens umstrittenen Politiker und siebenfachen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, dem Mafiakontakte nachgesagt werden.
Die französischen Filme im Wettbewerb stellen dagegen eher Beziehungs- und Familiengeschichten in den Vordergrund. Als Favorit wird jedoch weiterhin der türkische Beitrag "Üc Maymun" - "Die drei Affen" - bewertet.
Biografie von Giulio Andreotti
"Ich habe Humor, und ich habe ein großes Archiv", sagt Giulio Andreotti in "Il divo". Angeblich hat der neapolitanische Regisseur dem Politiker und Senator auf Lebenszeit ursprünglich versprochen, die Biografie erst nach seinem Ableben zu veröffentlichen. Doch daraus wurde nichts, der Film feiert am Freitag, 23. Mai 2008, seine Premiere in Cannes, und Giulio Andreotti lebt immer noch.
"Alle haben mir immer prophezeit, ich werde es nicht überleben, doch nun sind sie alle tot", stellt der Politiker, gespielt von Toni Servillo, fest. Er meint damit etwa den Journalisten Mino Pecorelli und den Mafiajäger Giovanni Falcone, beide Feinde der Korruption und der geheimen Machenschaften.
Andreotti wurden immer wieder Mafiakontakte nachgesagt, mit dem bekannten sizilianischen Mafiaboss Salvatore "Toto" Riina, der Falcone ermorden ließ, soll er sich regelmäßig getroffen haben.
Immer noch an der Macht
Der Film ist eine Politsatire in mehreren Akten, in den Dialogen werden einzelne Episoden erzählt oder angedeutet, die Andreottis Amtszeit geprägt haben. Doch was auch immer Andreotti nachgesagt wird, er hält sich mit stoischer Ruhe an der Macht. Eine Systematik, die man auch bei einem seiner ehemaligen Freimaurer-Kollegen der P2 erkennt: beim jetzigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.
Der Film erfordert intensive Aufmerksamkeit, auch wenn er immer wieder unterhält. Im Gegensatz zu "Gomorrah" verpackt "Il divo" die politische Geschichte mehr in Worten als Bildern. Wissen über Italiens Politik ist allerdings erforderlich.
Erste Hauptrolle für Campino
In Sizilien spielt ein weiterer Wettbewerbsfilm, der am Samstag Premiere hat: Wim Wenders beschäftigt sich in "Palermo Shooting" allerdings nicht mit der Mafia oder der Politik. Im Mittelpunkt der Story steht ein erfolgreicher Düsseldorfer Fotograf, dessen Existenz plötzlich aus den Fugen gerät und der kurz entschlossen nach Palermo reist, wo ein aufregendes, neues Leben auf ihn wartet. Tote-Hosen-Sänger Campino gibt dabei sein Kinodebüt als Hauptdarsteller. Stars wie Lou Reed, Dennis Hopper und Milla Jovovich vervollständigen die Besetzungsliste.
Türkischer Beitrag als Favorit
Drama regiert auch in Philipp Garrels Film und Wettbewerbsbeitrag "La frontière de l'aube". In Schwarz-Weiß zeigt der französische Regisseur eine dramatische Liebesgeschichte. Carole, eine berühmte Schauspielerin, ist in ihrer Ehe unglücklich und beginnt eine Affäre mit einem Fotografen, gespielt vom Regisseurssohn Louis Garrel. Am Ende der Pressevorführung gab es laute Buhrufe. Weder die Dialoge noch die Geschichte konnten überzeugen.
Hartnäckig an erster Stelle der Wertung internationaler Journalisten in der Filmzeitschrift "Screen" hält sich hingegen seit Beginn der türkische Wettbewerbsfilm "Üc Maymun" ("Die drei Affen") von Nuri Bilge Ceylan. Der Beitrag zeigt einen unschuldigen Familienvater, der für Geld die Schuld eines Verbrechens auf sich nimmt, welches ein Politiker verübt hat. Selbst wenn der Film die Goldene Palme nicht gewinnt, darf sich der Regisseur zumindest schon darüber freuen, dass sein Film beim Verkauf am "Market" auf großes Interesse stieß.
Hör-Tipp
Synchron, Freitag, 23. Mai 2008, 21:45 Uhr
Link
Festival de Cannes