Der Soziologe Peter L. Berger

Erlösendes Lachen

Er gilt als einer der weltweit führenden Religionssoziologen. Berühmt wurde er durch sein 1966 mit Thomas Luckmann veröffentlichtes Werk "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Berger, 1929 in Wien geboren, musste Österreich 1938 verlassen.

Peter L. Berger über seinen Weg zur Soziologie

1929 wurde Peter L. Berger in Wien geboren. Neun Jahre war der kleine Junge alt als er 1938 die Stadt seiner Kindheit hinter sich lassen musste.

Der Vater, Georg Berger, betrieb in Wien ein Herrenmodengeschäft. Der talentierte Amateurmaler und WKI-Offizier malte oft stundenlang Szenen aus dem Militärleben. Das Kind durfte mit diesen bemalten Papiersoldaten spielen, sie auf dem Boden auflegen und Schlachten inszenieren. Aus dem Spiel sollte bald Ernst werden.

Das Ende der Kindheit

"Im März 1938, als Österreich dem Dritten Reich einverleibt wurde, endete meine Wiener Kindheit abrupt", erinnert sich Peter L. Berger. Aufgrund der nationalsozialistischen Rassengesetze galt die Familie als jüdisch, obwohl Vater und Mutter Mitglieder der protestantischen Kirche waren. In seinen Erinnerungen schreibt Berger:

Ich war von der abrupten Veränderung unserer Lage erschreckt und verwirrt. Die wenigen Monate, dir nach dem 'Anschluss' in Wien blieben, waren natürlich angsterfüllt. Obwohl meine Eltern sich bemühten, ihre Beklommenheit so weit wie möglich vor mir zu verbergen, hat sie sich natürlich auf mich übertragen. Ich war damals neun, aber wohl ein recht altkluger Neunjähriger. Ich verfolgte die Nachrichten und konnte recht gut verstehen, was vor sich ging. - Und ich konnte die Veränderungen jedes Mal deutlich erkennen, wenn ich außer Haus war...

Stationen der Emigration

Die erste, unfreiwillige Abreise brachte die Familie von Wien nach Italien, im Herbst 1938 folgt die zweite unfreiwillige Abreise- von Italien nach Israel, nach Haifa.

Peter L. Berger erinnert sich:

Ich glaube, Vater und Mutter waren davon überzeugt, dass es sich um einen kurzen Aufenthalt handeln würde, eine Zwischenstation vor der Weltreise zu begehrten Destinationen in Nord- oder Südamerika, wohin viele unserer Verwandten unterwegs waren. Es war nicht vorhersehbar, dass der Krieg dazwischen kommen und wir Palästina- wie es damals hieß- erst acht Jahre späte verlassen können würden. Ich war neun bei unserer Einreise und siebzehn, als wir weggingen. Kein Wunder, dass die dazwischen liegenden Jahre für meine Leben äußerst prägend waren.

Der als Jude vertriebene Peter -Sohn protestantischer Eltern- kommt in diesem Herbst 1938 als getaufter Christ nach Palästina. "Wir trugen unser Christentum nicht vor uns her", sagt Berger. "Wir verhielten uns wie alle anderen jüdischen Flüchtlingsfamilien und wurden auch für eine solche gehalten." Aus "Peter" wird in der Schule "Jakov". Die finanzielle Lage der Eltern ist schwierig, der Vater versucht, die Familie mit Gelegenheitsjob durchzubringen, der junge Peter alias "Jakov" fühlt sich fremd in der Schule - ein Außenseiter.

Ein erhebender Moment

Im Herbst 1946 verlässt die Familie Berger auf einem rumänischen Handelsschiff Israel. Die Reise geht nach Marseille.
Ein Reisebüro namens "Oceania" sollte dort die Weiterreise nach Amerika organisieren, aber der Familie wird mitgeteilt, dass die Weiterreise- aufgrund eines Streiks der amerikanischen Hafenarbeiter- nicht möglich sei. Die Familie fährt mit dem Nachtzug nach Paris...

Zwei Monate lang wartet die Familie in Paris auf die Schiffskarte nach Amerika. Endlich ist soweit, nach fünf Tagen Seereise kommt der Hafen von New York in Sicht, das Schiff gleitet langsam an der Freiheitsstaue vorbei. "Ehrfürchtiges Schweigen herrschte an Deck", erinnert sich Peter L. Berger. "Es war ein erhebender Moment."

Die Familie wohnt zunächst bei Verwandten. Der Vater arbeitet bald bei einem exklusiven Herrenausstatter, einem Emigranten aus Wien, die Mutter findet eine Anstellung als Modedesignerin. Ein Jahr nach der Ankunft wird die erste eigene Wohnung gemietet.

Große akademische Karriere

Peter L. Berger studiert bis 1952 an der New School for Social Research in New York, er lehrt und forscht als Assistenzprofessor an der University of North Carolina, unterrichtet am Hartford Theological Seminary, er wird Studienleiter für soziologische Fragen an der Evangelischen Akademie Bad Boll, er übernimmt in Amerika Professuren an der New School for Social Research in New York und an anderen Universitäten. Seit 1981 lehrt und forscht Peter L. Berger als Professor für Soziologie und Theologie an der Boston University, wo er seit 1985 auch Direktor des renommierten "Institute of Culture, Religion and World Affairs" ist.

1963 verfasst er mit seinem Buch "Einladung zur Soziologie" ein Standardwerk, das bis heute aktuell ist. 1966 erscheint der Band "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit", den Peter L. Berger Berger gemeinsam mit Thomas Luckmann verfasst hatte.
Untertitel: "Eine Theorie der Wissenssoziologie":

Schwerpunkt Religionssoziologie

Das zentrale Forschungsfeld Peter L. Bergers bildet die Religionssoziologie. "Sehnsucht nach Sinn. Glauben in einer Zeit der Leichtgläubigkeit" heißt eines seiner Bücher zu diesem Thema. "Erlösender Glaube? Fragen an das Christentum" heißt ein anderes Buch. Das Fragezeichen darf dabei nicht fehlen. Vor seiner Emigration wurde er getauft, später wollte er protestantischer Pfarrer werden, dann entschied er sich für ein Studium der Philosophie und der Theologie. In seinen Schriften bezeichnet er sich selbst als "liberaler Christ":

In seinem "Institute of Culture, Religion and World Affairs" an der Universität in Boston beschäftigt sich Peter L. Berger mit der Erforschung der ökonomischen Kultur, die - analog zur politischen Kultur - die Gesamtheit aller Normen, Weltauffassungen und Deutungen für ein wirtschaftliches Handeln reflektiert.

"Die Grenzen der Gemeinschaft" heißt ein von Berger herausgegeben Bericht an den Club of Rome, der unter seiner Leitung erarbeitet wurde. Zu einer der zentralen Erkenntnisse dieses Berichts gehört, dass zahlreiche Konfliktlinien nicht an den Grenzen verlaufen- sondern innerhalb der Zivilisationen.

Transzendentes Lachen

"Als großer Soziologe, der angetreten ist, die Gesellschaft zu verstehen", wird Peter L. Berger von Kollegen geschätzt, "als Leitfigur für Generationen von Studierenden." In seinem Buch "Erlösendes Lachen" wie auch in "Auf den Spuren der Engel" geht er jenen Zeichen und Signalen nach, die er als "Zeichen des Jenseits" im Alltag sieht. Und behauptet, dass es "prototypisch menschliches Verhalten gibt - Gebaren, Gebärden, Gesten - die als solche Zeichen der Transzendenz anzusehen sind".

Transzendenz als ein Überschreiten, ein Heraustreten aus der Alltagswelt - im Spiel etwa oder im Lachen. Verständlich daher auch der Wunsch von Peter L. Berger am Ende des Gesprächs, "dass mir das Lachen nicht vergeht".

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 22. Juni 2008, 14:05 Uhr

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Buch-Tipp
Peter L. Berger, "Im Morgenlicht der Erinnerung. Eine Kindheit in turbulenter Zeit", Molden Verlag 2008