Mit Ideen zum Erfolg

Stefan Sagmeister

Er gilt als unprätentiöser Star der internationalen Grafikdesign-Szene: Stefan Sagmeister. Unverschämt persönlich spielt der Bregenzer mit Handschriften und papierenen Löchern, lässt sich Typografien in den Körper ritzen und als Plakat ausstellen.

Ein schlaksiger Mann mit schwarzen Haaren richtet sich auf einem Sessel ein. Dabei umarmt der 1,95 Meter große Hüne mit seinen Gliedmaßen Sesselbeine und Lehne. Er wetzt herum. Wir sitzen artig auf der erbsengrünen Couch daneben. In der Design-Branche ginge es primär um Promotion, sagt er.

Seit 18 Jahren lebt der gebürtige Bregenzer Stefan Sagmeister in New York, ist mit CD-Covers für Lou Reed, David Byrne und den Rolling Stones in den Olymp der Grafik-Designwelt aufgestiegen, mit vier Grammy-Nominierungen, einem Musikindustrie-Oscar und vielen Preisen dekoriert worden. Heute dirigiert er sich und seine zwei Mitarbeiter in der Grauzone zwischen Design und zeitgenössischer Kunst, zwischen dem Dollar und der Idee, und schaut von seinem Penthouse-Atelier, dem Himmel so nah wie der Klimaanlage, direkt auf das Empire State Building.

Alles Handarbeit

Seine Arbeiten sind weder konzeptuell noch intellektuell, sie zielen auf den Bauch und das Persönliche. Mögen die großen Designagenturen das Erscheinungsbild unserer Welt mit visuellen Brandings digital prägen, Sagmeister lässt derlei Ansprüche nonchalant in einem Cocktail aus Handarbeit und kindlich-verspielter Radikalität ersaufen.

Das Detroiter Plakat des American Institute of Graphic Arts (AIGA): Damit hat Sagmeister 1999 Geschichte geschrieben, die Grenzen des Grafikdesigns und der Typografie gesprengt und bewiesen, wie ernst er es mit dem Körpereinsatz und der eigenen Handschrift meint. Eine Bodyperfomance, bei der er sich von seinem Praktikanten den Werbetext in den Oberkörper ritzen ließ. Der Körper als ein Stück Typografie - ein bestechend reales Bild in einer Zeit simulierter und artifizieller Realitäten. Design soll berühren. Er hatte diese Performance mit hochauflösender Kamera fotografiert. "Da war dann jede Pore, jedes Haar, jede Verletzung zu sehen", sagt er. "Vor allem für andere Designer war ersichtlich, dass es nicht Photoshop gemacht war sondern wirklich geritzt."

Ein Jahr ohne Klienten

"Work slower, do less work, do it better” - "Arbeite langsamer, arbeite weniger, mach es besser", hat er sich in sein Tagebuch notiert, erzählt er, schaut auf die Uhr und schielt zu seinem Schreibtisch hinüber. Der ist ordentlich aufgeräumt wie ein Messbuch. Fünf Geschwister hat er in Vorarlberg und elf Nichten, die sieht er, wenn er auf Reisen ist: Geschäftsreisen, Kunstreisen, Vortragsreisen. Um die Jahrtausendwende schließt Sagmeister sein überaus erfolgreich laufendes Designstudio für ein Jahr. "Mein Jahr ohne Klienten", wie er sein Experiment nennt, startet er anfangs "mit flauen Gefühlen, denn die Wirtschaft boomt."

Sieben Jahre später weiß er, es hat sich rentiert. Was er angreift, wird zu Gold. "Things I have learned in my life so far" - "Dinge die ich in meinem Leben bisher gelernt habe" - wird das siebenjährige Kunstprojekt am Ende heißen, in Ausstellungen und einem Buch münden. Er verhandelt das neue Zeitvakuum mit Listen, unzähligen Listen und klugen Sprüchen. Lebensweisheiten.

Der Sonne überlassen

Es sind Sätze wie "Alles was ich mache, fällt wieder auf mich zurück" - "Jammern ist blöd" oder "Jeder hat seine eigene Wahrheit", die er aus seinem Tagebuch destilliert, visualisiert und in verschiedenen Städten inszeniert, Berlin, Lhasa, Lissabon, Arizona (Phoenix ), Linz. Jedes Wort wird für sich in Szene gesetzt und abfotografiert: Auf öffentlichen Werbeflächen, in einem Kloster oder unter dem Mikroskop; mit Bananen, Zwiebelringen oder Buchseiten geformt, als Grasgeflecht in einen Baum geflochten oder mit einem aufblasbaren Plastikschlauch in einen Swimmingpool geschrieben.

Besonders schön: die Arbeit für die Biennale Lissabon 2005: Sagmeister legt auf das Dach seines New Yorker Ateliers riesige Bögen Zeitungspapier, auf denen Buchstabenschablonen befestigt sind, die sich zum Satz formen: "Complaining is silly. Either act or forget." Den Rest lässt er von der Sonne über Manhattan erledigen. Das Papier bleicht aus, die Schrift wird lesbar, sobald er die Schablonen abnimmt. Dann transportiert er das Plakat nach Lissabon, spannt es im Stadtraum auf und lässt Lissaboner Sonne das Ihre tun. Die Buchstaben dörren förmlich aus, verschwinden, aber nur fast. Das Auge lässt sich täuschen, der Geist vergisst, Grafikdesign hat eine materielle Realität und steht in der Zeit.

Freundschaftsdienst

Downton New York, Mitte der 1990er Jahre: Hunderte Plakate, sind nebeneinander in den Straßen affichiert. Darauf steht in flapsiger Schrift: "Dear Girls. Please be nice to Reini." - "Liebe Mädels. Bitte seid nett zu Reini". Es ist eine Aktion für einen schüchternen Freund aus Österreich, der seinen Besuch bei Stefan Sagmeister in New York ankündigt.

Nachträglich wird er es zu einer seiner erfolgreichsten Werbekampagnen küren. Besagter Reini wird nämlich zum Stadtgespräch, die Frauen reißen sich um eine Verabredung. Reini landet in einer Liebesbeziehung.

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Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 5. Juli 2008, 17:05 Uhr

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