Immer ein Atout

Auch Bassisten haben Sexappeal

Allmählich am Weg zu Wotan und Hans Sachs, präsentiert René Pape seine erste Solo-CD. Pape bringt "Don Giovanni" und Rammstein unter einen Hut und versucht trotzdem, nicht zum Sklaven der Sänger-Vermarktungs- und -Vernichtungsindustrie zu werden.

Ende September an der Berliner Staatsoper unter den Linden: Tschaikowskys "Eugen Onegin", musikalisch unebenmäßig, obwohl von Daniel Barenboim dirigiert, in ritualisierter Regie von Achim Freyer.

Rolando Villazon als Lenski stemmt sich gegen die Tristesse - und dann plötzlich, im letzten Akt, "erscheint fast überraschend René Pape als Fürst Gremin, der warmherzig die Altersliebe beschwört. Ein betörender Höhepunkt an Sinnlichkeit" (Berliner Morgenpost). "Mit seinem markerschütternden Bass wird der Abend schließlich doch noch zum großen Opernerlebnis" (Süddeutsche Zeitung).

Nicht festgelegt aufs "deutsche Fach"

Der deutsche Bassist René Pape im Karrierehoch, pünktlich zum Erscheinen seiner - nach 20 Karrierejahren - ersten Opern-Solo-CD beim Traditionslabel "Deutsche Gramophon": An der New Yorker Metropolitan Opera war er in Gounods "Faust" ein Méphistophélès, "dem jeder sofort in die Hölle folgen würde" (Wall Street Journal), an der Dresdner Semperoper wird sein Zaren-Portrait im Dezember eine Neuproduktion von Mussorgskys "Boris Godunow" prägen, dazwischen liegen Auftritte als König Philipp in Giuseppe Verdis "Don Carlo", unter anderem an der Wiener Staatsoper.

René Pape hat es geschafft, trotz Herkunft und Muttersprache weltweit nicht nur fürs "deutsche Fach", für Musik von Richard Wagner zumal, gefragt zu sein, obwohl sein Marke, sein Pogner, sein Hunding zum Besten gehören, was in der Gegenwart an Wagner-Gesang zu erleben ist. Nicht immer beschränkt sich Pape auf reine Bass-Partien, manchmal "nascht" er am Bariton-Repertoire, so wie Ezio Pinza, Cesare Siepi, Nicolai Ghiaurov es vorgemacht haben.

Papes neue Solo-CD

In Anlehnung an ein klassisches Langspielplatten-Recital eines anderen Großen der Vergangenheit, George London, das sich "Gods and Demons" nannte, haben René Pape, die von Sebastian Weigle dirigierte Staatskapelle Dresden und die produzierende DG René Papes neue CD "Gods, Kings and Demons" betitelt.

Anton Rubinsteins "Dämon" ist vertreten, Pape lässt abgründige Mephisto-Varianten von Gounod, Berlioz und Boito paradieren, und mit dem "Rheingold"-Wotan kommt zumindest ein kleiner Ausblick auf Rollen der unmittelbaren Zukunft. (Eine Neuproduktion an der Mailänder Scala, 2010, mit Barenboim als musikalischem Leiter und in Koproduktion mit Berlin, wird das Debüt bringen.)

"Zauberflöte" gestern, Rammstein heute

René Pape ist Dresdner des Jahrgangs 1964, war bis zum Stimmbruch Mitglied beim legendären Dresdner Kreuzchor und hat noch als Student 1988 an der Berliner Lindenoper debütiert, die bis heute sein Haupthaus geblieben ist. Förmlich explodiert ist die Karriere schon im Mozart-Jahr '91 mit dem "Zauberflöten"-Sarastro in Salzburg unter Sir Georg Soltis Leitung. Vom Leporello ist Pape mittlerweile zum Don Giovanni "avanciert", in Berlin war er Gurnemanz in "Parsifal" und immer wieder ein berührender König Marke in Wagners "Tristan und Isolde", mit seinem Mentor Daniel Barenboim am Dirigentenpult. In der jüngsten CD-Produktion des Werkes, der aus London mit Placido Domingo und Nina Stemme (Dirigent: Antonio Pappano) singt er die Partie ebenfalls.

Vor Hans Sachs zurückgeschreckt
Nach vielen Auftritten als Pogner in den "Meistersingern von Nürnberg" wäre auf Papes Solo-Recital, ganz klassisch, ein Weitergehen zum Schusterpoeten Hans Sachs fällig gewesen, zumindest für Flieder- oder Wahnmonolog. Falsch kalkuliert! Nur weil Sachs weder "Gott" noch "König" noch "Dämon" ist? René Pape ist zuletzt in Berlin bereits als Hans Sachs an der Lindenoper angesetzt gewesen, dann aber doch kurzfristig vor der Herausforderung zurückgeschreckt. Was ihm nicht ähnlich sieht: In Torsten Raschs Liederzyklus nach Rammstein-Texten "Mein Herz brennt" (aufgenommen mit Katharina Thalbach als unorthodoxer Partnerin) wirft sich Pape mit Verve in die sehr "körperlichen" Formulierungen.

Eine Prise Nonkonformismus

René Pape liebt es zwar, sich in Szene zu setzen, aber vor allem auf Fotos, auf denen er oft mit dem Tabubruch kokettiert, als Sänger Raucher zu sein. Den Rest schirmt er von der Öffentlichkeit total ab, aus dem Schaden anderer klug geworden. Abgeklärt sieht René Pape Festival- und Star-Rummel. Gewiss, er "promotet" brav sein Platten-Recital, selbst in der "Yellow Lounge" am Wriezner Bahnhof in Berlin-Friedrichshain, samt DJ und Lichtinstallation.

Doch wenn er einmal nicht will, macht er einfach nicht mit - so geschehen bei seinen Méphistophélès-Auftritten im Gounod-"Faust" an der Metropolitan Opera, nach denen er die am Bühnentürl wartenden Fans einfach stehen hat lassen. Auch er selbst kann warten: "Der Sachs soll in meiner Karriere dann der Punkt auf dem i werden", meint Pape. "Meine Karriere hat vor 20 Jahren angefangen, und ich möchte heute wissen, wie ich mir die nächsten 20 Jahre einteile". Liedgesang soll bald eine stärkere Rolle spielen, Falstaff vielleicht kommen. Und wenn Christian Thielemann nicht weiter opponiert, kommt möglicherweise auch die schon im Vorjahr in München aufgenommene große Wagner-CD von René Pape auf den Markt - mit dem ersten Sachs-Vorgeschmack.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 9. Oktober 2008, 15:06 Uhr

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René Pape