Reden, reden und nie aufhören

Das Schweigen der Händler

In ihrem aktuellen Kabarettsolo erkundet Andrea Händler mit der ihr eigenen Unverfrorenheit jene Zonen des Alltags, über die man besser schweigt. Zum Beispiel Männer, die man nicht gekriegt hat, aber auch jene, die man besser nicht gekriegt hätte.

Verluste über Verluste!

"Das war bei mir immer schon: reden bis die Stimmbänder nicht mehr können." So beschreibt Andrea Händler ihre Vorliebe für das gesprochene Wort.

Beim Reden kommen bekanntlich nicht nur die Leute zusammen, beim Reden kann man auch übertreiben, Missverständnisse erzeugen. Das ist besonders unangenehm, wenn die Frau bereits die Hochzeitsglocken läuten hört, während der potenzielle Ehepartner dieses akustische Signal nicht wahrzunehmen scheint.

Andrea Händler schlüpft für ihr neues Solo in die Rolle einer mehr als heiratswilligen Frau, die ihre Pläne für eine legitimierte Zweisamkeit mit dem Herrn Fritz etwas zu voreilig in die Tat umsetzen wollte. Die "Leider-nein-Braut", die sich zu viel zutraute, ist unverheiratet geblieben und grämt sich. Ihre zarte Kabarettistinnenhand könnte schon ein schmaler Ring aus Weißgold schmücken, hätte sie nur im richtigen Augenblick geschwiegen. Hat sie aber nicht, sondern sie legte gleich einmal in vorauseilender Selbstüberschätzung den Hochzeitstermin fest. Der Herr Fritz hört davon und zieht sich irritiert zurück. Folgerichtig nennt Andrea Händler ihr aktuelles Solo "Das Schweigen der Händler".

Das Schweigen hörbar machen

Um den - wie man gerne zu sagen pflegt - "schönsten Tag im Leben einer Frau" betrogen, steht Andrea Händler auf der Bühne und ärgert sich. Ja, sie hat übertrieben, aber: Sie hat auch etwas daraus gelernt. Als Zeichen ihrer Reifung nahm sie bereits einige Stunden beim Schweige-Coach. Das Ziel dieser Übung: im richtigen Moment einfach nur den Mund halten.

Auf der Bühne hat es sich Andrea Händler zur Aufgabe gemacht, ihr neu erlerntes Schweigen hörbar zu machen. Als Requisite dient ihr eine Kiste voll mit Erinnerungen, Erinnerungen an jene Zeit, als bei Ihr das Reden noch deutlich im Vordergrund stand. Aus diesen Tagen stammt auch ihr erstes Navigationsgerät, das sie aus der Kiste fischt.

Das Navi entwickelt Eigenleben. In Andrea Händlers Programm schickt der neu zum Leben erwachte elektronische Wegweiser die Protagonistin zurück in die Vergangenheit, zurück an jene Wegkreuzungen ihres Lebens, an denen Schweigen die Situation fraglos entschärft hätte.

Alfred Dorfer navigiert durchs Leben

Das Navigationsgerät hört auf den Namen FredFred. Das ist nicht der Cousin von TomTom sondern eine Reverenz an Alfred Dorfer. Mit ihm stand Andrea Händler vor mehr als 20 Jahren in der Gruppe Schlabarett auf der Bühne. Nun lieh er Händlers sprechendem Wegweiser, der die Protagonistin durch die Vergangenheit und das Leben lotst, seine Stimme.

"Von Alfred Dorfer lasse ich mich gerne zurechtweisen... Nein, im Ernst, er hatte genau die Stimme, die ich mir für mein Navi vorgestellt habe und der man gerne zuhört. Und er hat auch den richtigen Sarkasmus. Ich wollte mir nicht die Stimme eines prominenten Kabarettisten auf die Bühne holen sondern eine Stimme, die mir passend erschien."

Drama und schlechter Teint

"Das Schweigen der Händler" gerät zu einem beredten, aber wohl durchdachten Monolog über bisherige Niederlagen und Fehlentscheidungen im Leben der Protagonistin, denn neben der Hochzeitskrise gibt es noch genügend andere Problemzonen für Andrea Händlers Heldin des Alltags. So erzählt sie von Elfi, die durch Händlers ungebremsten Redefluss zur besten Ex-Freundin wurde, sie berichtet über die Hoffnung, der 20 Jahre ältere Erwin würde zumindest sein Einkommen mit ihr teilen. Sie weiß, dass jedes Drama einen schlechten Teint zur Folge hat und dass Schönheit und Jugend gar flüchtige Güter sind.

Selbstverschuldet unverheiratet

Für die witzigen und mitunter auch recht perfiden Sprüche im neuen Programm zeichnet diesmal nicht allein Angelika Hager als Autorin verantwortlich. Erstmals hat auch Andrea Händler in die Tasten gegriffen und Textpassagen für ihr Solo selbst verfasst. Auch für die Regie war die Kabarettistin diesmal weitgehend allein verantwortlich und setzte sich auf heiter zurücknehmende Art in Szene.

"Das Schweigen der Händler" gehört mit Sicherheit zu den besten Programmen, die Andrea Händler als Solistin auf die Bühne gebracht hat. Mit einer ansprechenden Mischung aus selbstironischen Reflexionen, unterhaltsamen Szenen aus dem Leben einer Mittvierzigerin und wenig schonenden Betrachtungen zum Thema "selbstverschuldet unverheiratet" vermag die Kabarettistin eine Geschichte zu erzählen, der man gerne folgt. Dass Andrea Händler auf jegliche Kostümierungsversuche, auf lange Bühnenwege und auf "den Fee" als beratende Kraft verzichtet hat, war eine gute Entscheidung, denn allein mit ihren Themen und ihren Geschichten ist die Kabarettistin dem am nächsten, was sie eigentlich machen will: Menschen unterhalten und den Witz über die Vergänglichkeit von Schönheit und Kraft pflegen.

Mit diesem sehr unterhaltsamen Abend überweibliche und männliche Defizite ist Andrea Händler wieder am Freitag, den 7.August 2009 auf der Bühne Donaupark in Wien zu sehen, am 9. August 2009 beim Tschauner im 16. Wiener Bezirk, am 13. August 2009 Im Linzer Rosengarten und am 26. und 27. August 2009 im Kabarett Niedermair in Wien zu sehen.

Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 2. August 2009, 22:05 Uhr

Links
Andrea Händler
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