Wie Reichtum in Österreich geheim gehalten wird
Die Macht der Eliten
Laut Statistik nehmen die Einkommenskonzentrationen in Europa immer mehr zu, und somit auch die ökonomische Ungleichheit. Der Elitenforscher Michael Hartmann beschreibt, wie die Macht der Eliten und ihr Einfluss auf Politik und Wirtschaft wächst.
8. April 2017, 21:58
Reichtum und Vermögenskonzentrationen sind eine unbekannte Größe in Österreich. Es gibt darüber keine offiziellen Daten. Reichtumsforschung ist eine noch junge Disziplin, denn Daten über Armut sind weit leichter zugänglich. Im Zuge der unsicheren globalen Finanzlage erheben immer mehr Notenbanken Daten zum Reichtum.
Die Verschwiegenheit der Reichen
Während es in anderen Ländern offiziellen Zugang zu diesen Daten gibt, ist in Österreich eine solche Erhebung schwierig. Die Nationalbank hat eine repräsentative Haushaltsbefragung für eine wissenschaftliche Studie zur Einkommensverteilung in Österreich in Auftrag gegeben. Da Wohlhabende nicht bereit waren, hier Auskunft zu erteilen, wurde daraus eine Studie über den gehobenen Mittelstand.
Trotzdem kam im Rahmen dieser Studie klar zutage, dass die Einkommenskonzentrationen in Österreich drastisch zunehmen, wie Studienautor Martin Schuerz, Ökonom in der Österreichischen Nationalbank, bestätigt: "Diese Entwicklung ist problematisch, weil gleichzeitig auch die Macht und der Einfluss der Wohlhabenden ansteigt."
Eliten werden weniger durchlässig
Das bestätigt auch der deutsche Elitenforscher Michael Hartmann, Professor für Soziologie an der Universität Darmstadt. Er beschreibt, dass Eliten in Europa immer undurchlässiger werden und immer häufiger von wirtschaftlichen Positionen in politische Ämter hinüberwechseln, eine bedenkliche Entwicklung: Früher blieben Wirtschaftseliten unter sich, heute übernehmen sie politische Ämter und betreiben Steuerpolitik im Interesse der Reichen. "In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends wurde die Steuerbelastung der 40 reichsten Deutschen von 45Prozent auf 32 Prozent gesenkt", kritisiert Michael Hartmann.
Einfluss auf die Politik wächst
Gleichzeitig änderte sich die Zusammensetzung der politischen Kabinette. Stammten die Kabinettsmitglieder der beiden letzten Kohl-Regierungen und des ersten Schröder Kabinetts noch zu knapp zwei Dritteln aus dem Kleinbürgertum und der Arbeiterschaft, so änderte sich das ab 2002, mit der zweiten Schröder Regierung, spürbar. Seit 2005 machen unter Angelika Merkel die Kabinettsmitglieder aus Bürger- und Großbürgertum auf rund zwei Drittel aus.
Eine ähnliche Entwicklung ist, wenn auch etwas verzögert, in Österreich zu beobachten. In Frankreich, Portugal und Spanien sind Eliten traditionell undurchlässig, sie gehen in dieselben Elitenschulen und stellen die überwiegende Mehrheit in der Politik. Doch auch hier durchmischen sich wirtschaftliche und politische Eliten immer offener.
Michael Hartmann beschreibt, dass der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy beispielsweise Urlaub auf der Yacht eines reichen Freundes aus der Wirtschaft macht, vor den Augen der Öffentlichkeit. Unter Chirac wäre das noch nicht möglich gewesen, früher durfte es diese Verhaberung - zumindest offiziell - nicht geben.
Trotzdem sind in Frankreich große soziale Einschnitte politisch nur teilweise durchsetzbar, da es dort eine stärkere Tradition kämpferischer Gewerkschaften gibt, die Proteste massiv auf der Straße austragen und dabei auf die Unterstützung der Medien und der Bevölkerung zählen können. So konnte die Aufweichung des Kündigungsschutzes für Jugendliche aufgrund der zahlreichen Proteste nicht umgesetzt werden.
Generell ist festzustellen: Dort, wo die Mitgliedschaften bei Gewerkschaften noch hoch sind - etwa in skandinavischen Ländern - ist auch die ökonomische Ungleichheit geringer, so Michael Hartmann.
Hör-Tipp
Journal Panorama, Dienstag, 4. November 2008, 18:25 Uhr