Kontroverse um kroatischen Literaturpreis
Nives und die Kyklopen
Der Jahresausgang hat Kroatien einen literarischen Wirbelsturm gebracht. Es geht darum, dass in Kroatien gleichzeitig zu wenig und zu viel zu gelesen wird, nämlich zu wenige Bücher insgesamt und zu viel von den falschen - aus Sicht mancher Kritiker.
8. April 2017, 21:58
Die Literaturszene in Kroatien wurde in den letzten Wochen von zwei Ereignissen erschüttert. Der erste Schock ist durch die Veröffentlichung der Resultate einer Meinungsumfrage zu den Lesegewohnheiten der Kroaten verursacht worden. Nach dieser Umfrage hat nur ein Drittel der Kroaten im letzten Jahr ein Buch gelesen. Weniger als 20 Prozent der Befragten haben im letzten Jahr einen kroatischen Roman gekauft oder gelesen.
Kyklop
Während Kulturmenschen ob dieser Resultate noch in tiefe Depression fallen wollten, hat ein weiterer Schock die Szene erregt. Paradoxerweise war es gerade ein kroatisches Buch, das den Kulturbetrieb erregt hat.
Seit 1995 wird, immer im Dezember, in Pola (Istrien) das Festival der Bücher und Autoren veranstaltet. 2004 wurde erstmals ein sehr ambitionierter Preis mit dem Namen "Kiklop" (Kyklop) ins Leben gerufen. Der Kiklop wurde (bis heuer, aber darüber später) in 13 Kategorien vergeben. Der erste Preisträger, als spezielle Anerkennung der Buchmesse, war der türkische Nobelpreisträger Orhan Pamuk. In der Kategorie "Hit des Jahres" sind Dan Brown für "Sakrileg", Paulo Coelho für "Der Zahir" und zwei kroatische Autoren, Ante Tomic und Slavenka Drakulic, zu finden.
Doch in diesem Jahr, als just wieder ein kroatischer Buchtitel die Bestsellerlisten anführte, hat eben dieser Erfolg zur Sistierung der Kategorie "Hit des Jahres" geführt.
Bis heuer wurde der "Kiklop" in dieser Kategorie nach den Daten, die eine unabhängige Marktforschungsagentur ermittelt hat, vergeben. Die Kriterien waren klar und einfach: Das Buch mit den meisten verkauften Exemplare wurde zum "Hit des Jahres" gekürt. Das hat bis gegolten. Das meistverkaufte Buch in Kroatien war 2008 das Buch der Autorin Nives Celzijus (mit bürgerlichem Namen Nives Zeljkovic) mit 45.000 Exemplaren.
In ihrem Bestseller "Die nackte Wahrheit" beschreibt Nives Celzijus auf einfache Art und Weise ihre sexuellen Erlebnisse in der kroatischen Fußballszene, die sie mit zahlreichen Skandalen aufgemischt hat.
Kritiker verglichen ihren Stil mit jenem von Schulaufsätzen und es war klar, dass das Buch seinen Erfolg nur den skandalverdächtigten Details verdankt hat und nicht seinen literarischen Qualitäten. Viele Beobachter der kroatischen Literaturszene zeigten sich vom Erfolg des Buchs überrascht.
Um die Verleihung des Preises in dieser Kategorie zu umgehen, hat sich der Aufsichtsrat des Festivals entschlossen, den Preis wegen angeblich mangelnder Einstimmigkeit abzuschaffen.
Kurz vor der Bekanntgabe der Auflösung der Preiskategorie hat der Literaturhistoriker Kresimir Nemec seinen Austritt aus der Jury mit intransparenten Auswahlkriterien beim "Hit des Jahres" begründet. Unklar blieb allerdings, wieso der "Hit des Jahres", erst jetzt, im vierten Jahr intransparent geworden sein soll.
Links
Youtube - Nives Celzijus
Festival der Bücher und Autoren Pula