Große Geschichten aus kleinen Begebenheiten
Sebastian Krämer vs. Jongleure
Kennen Sie schon Sebastian Krämer? Er ist ein hieb- und stichfester Wort- und Klavier-Virtuose, Kabarettist und Sänger, der mit bizarrem Humor, sprachlicher Präzision, bösem Spott und feiner Poesie aus kleinen Begebenheiten große Geschichten schöpft.
8. April 2017, 21:58
Bewahrer und Erhalter der Sprache
In einer Woche bekommt er in Mainz den renommierten "Deutschen Kleinkunstpreis 2009" verliehen. In zwei Wochen gastiert er dann erstmals in Wien im Rabenhof Theater: der Kabarettist und Liedermacher Sebastian Krämer.
In Sebastian Krämers offizieller Biografie heißt es: "Er wurde 1975 in Ostwestfalen geboren und ist seitdem - von wenigen Jahren des Erwerbs grundlegender Lebensfunktionen abgesehen - Sänger und Dichter".
"Ja, das ist schon lange her. Das hat angefangen als ich noch ein Kind, ein Schüler war", erzählt Sebastian Krämer. "Ich kann mich an das erste Lied erinnern, das ich geschrieben habe, das war für meine Schwester. Ab da habe ich dann immer mehr geschrieben und es hat sich bewährt. Ich hätte es, glaube ich, nicht weiter gemacht, wenn es jeder blöd gefunden hätte."
Gesellschaftlich Brauchbares
Inzwischen umfasst Krämers Werk an die 200 Chansons. Und er schreibt noch immer Lieder an Kinder. Manchmal. Allerdings mittlerweile nicht mehr aus der brüderlichen sondern aus der väterlichen Perspektive. Kleine, böse Lieder - aus tiefstem Herzen, denn Sebastian Krämer ist Vater von drei Kindern. Seit 1996 lebt er in Berlin, wo er auch als künstlerischer Leiter des Zebrano-Theaters fungiert: eine kleine, feine Bühne, die ihren Besuchern literarisch und musikalisch hochwertiges Kabarett bietet. In erster Linie aber schreibt Sebastian Krämer Lieder und Texte. Und das bereits seit über 20 Jahren - und ohne jemals nachhaltig auf berufliche Irr- oder Abwege geraten zu sein.
"Ehrlich gesagt, hab ich mir nie vorgestellt, irgendwas eher Nützliches oder anderweitig gesellschaftlich Brauchbares zu tun", sagt Krämer. Stattdessen gewann er zweimal die Deutsche Meisterschaft im Poetry-Slam und schuf sich für seine Kabarett-Abende eine Figur, die auf den ersten Blick und beim ersten Hinhören wie ein geradezu klassisch-adretter Klavier-Kleinkünstler wirkt. Doch hinter dieser harmlos und etwas altmodisch anmutenden Fassade lauern hinterhältige Tücke, hämische Ironie, blanker Wahnwitz, boshafte Fallen und bisweilen gruselige Überraschungen aller Art.
"Also natürlich ist das bewusst, alles, was in die Richtung Wirkung des Affekts geht, ist Berechnung und alles sehr wohl intendiert", so Krämer.
Alptraumhaft und zeitlos
Ein schönes Beispiel für Sebastian Krämers Faible für alptraumhafte Lieder ist der Song "Wovon träumst du", in dem er sich eines für ihn typischen, aber immer wieder hochwirksamen Stilmittels bedient: der unvorhersehbaren Haarnadelkurve, die man als Zuhörer oft erst dann bemerkt, wenn der Abgrund plötzlich auf der anderen Seite ist. Und das nicht zuletzt, weil sie sprachlich so geschliffen gepflastert ist.
Es gibt nur wenige Liedermacher, die so sorgfältig und genau mit ihrem wichtigsten Werkstoff umgehen, wie Sebastian Krämer. Und dabei stets prägnant und pointiert. Auch in punkto Rhythmus und Reim duldet er keine Kompromisse, denn zur deutschen Sprache pflegt Krämer eine ganz besondere Beziehung: "Ja natürlich, ein sehr inniges Verhältnis. Ich weiß eben auch dass mich die Sprache nicht im Stich lässt. Ich habe ein Urvertrauen, dass wir uns verstehen, die Sprache und ich."
Was die Sprache betrifft, sei er konservativ, sagt Sebastian Krämer. Wandel, Erneuerung oder Entwicklungen in der Sprache sieht er, als Bewahrer und Erhalter, daher naturgemäß mit Abwehr. Darunter fällt auch die Rechtschreibreform, die in seiner Lyrik keinen Platz hat. Auf satirische Lieder zum Thema Weltwirtschaftskrise oder über andere Tagesaktualitäten wird man bei Sebastian Krämer vergeblich warten. Kabarett-typische Themen sind für ihn nur in seltenen Ausnahmefällen Anlass oder Ursache für ein Lied. Und Themen, die gerade in der Luft liegen, umschreibt er prinzipiell weiträumig. Die beste Voraussetzung für zeitlose Lieder.
Liebeslieder und Hassballaden
Sebastian Krämer erweist sich ein ums andere Mal als Dichter, der - musikalisch virtuos und variantenreich - mit bizarrem Humor, bösem Spott und feiner Poesie - ganz in der Tradition von Georg Kreisler oder Friedrich Holländer - aus kleinen Alltäglichkeiten die kuriosesten Geschichten schöpft. Das verdankt er vor allem seiner genauen Beobachtungsgabe und seiner ständigen Suche nach ungewöhnlichen Perspektiven und Zugängen. Und immer wieder gelingen ihm dabei ganz große Würfe: Perlen für die Ewigkeit.
Zum Beispiel sein Liebeslied mit dem Titel "Kein Liebeslied". Sebastian Krämer ist eben auch ein Romantiker und ein leidenschaftlicher Lyriker. Am witzigsten aber ist er, wenn er wütend ist - auf Deutschlehrer, DJs oder Jongleure. Auf dem Humus seiner tief verinnerlichten Antipathien erblühen dann die schönsten Hassballaden.
In einem der gelungensten Beispiele dieser Kategorie widmet sich Sebastian Krämer den "Jongleuren". Ein Lied, das er übrigens vor ein paar Jahren ausgerechnet auf der "Internationalen Jongleur-Convention" in Hannover zum Besten gegeben hat, vor Hunderten Jongleuren. Ein provokanter und mutiger Auftritt.
Contra, Sonntag, 22. Februar 2009, 22:05 Uhr
Veranstaltungs-Tipp
Sebastian Krämer und Uta Köbernick, "Die Welt braucht keine Jongleure", 8. März 2009, Rabenhof Theater,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (20 Prozent)
Links
Sebastian Krämer
Uta Köbernick
Rabenhof Theater
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