Ein wesentliches Moment menschlichen Handelns

Jetzt!

Es gibt Menschen, die steigen ins Auto und fahren spontan nach Italien. Bewundernswert? Es gibt Menschen, die lassen sich auf keinen Termin festnageln, weil sie ihre Stimmung abwarten und dann erst entscheiden wollen. Egoistisch?

Spontane Menschen sind meist glücklicher. Sie können sich an die äußeren Veränderungen leicht anpassen. Andererseits ist eine geradezu kultivierte Spontaneität für die Umwelt sehr anstrengend. Und nicht nur das: allzu sprunghafte Veränderungen der Einstellung oder des Verhaltens führen sogar dazu, dass ein spontaner Mensch ein "Mensch ohne Eigenschaften" wird, sagt der Wiener Psychoanalytiker August Ruhs.

ES denkt

Die Psychoanalyse hat Spontaneität schon sehr früh als wesentliches Moment menschlichen Handelns erkannt. Sie hat erkannt, dass unserem Handeln etwas vorausgeht, was nicht unserem Bewusstsein zuzuschreiben ist. Nicht wir denken, sondern ES denkt. Neurowissenschaftliche Studien belegen das Phänomen: der Mensch hat bereits Entscheidungen getroffen, bevor er das Bewusstsein einschaltet.

Täuschung der Freiheit

Spontan ist das, was aus dem Inneren kommt, ganz schnell und unerklärlich. Spontan sind wir immer dann, wenn wir uns selbst zum Rätsel werden und nicht wissen, warum wir etwas tun.

"Wenn wir die Ursache unseres Handelns nicht kennen, fühlen wir uns besonders frei. Das birgt allerdings die Gefahr der Täuschung. Die Menschen fühlen sich dort frei, wo sie es gar nicht sind", sagt der Philosoph Robert Pfaller. Der Betrunkene hat zum Beispiel das Gefühl er redet völlig frei, wenn er aber wieder nüchtern ist, merkt er, dass er das alles lieber gar nicht gesagt hätte.

Instinkt beim Tier

Spontaneität ist keine rein menschliche Eigenschaft. Beim Tier steuert der Instinkt das Verhalten, das nicht unbedingt von der Umwelt ausgelöst werden muss. Adolf Heschl, Zoologe an der Universität Graz erinnert an innere Zustände wie Hunger, Durst oder auch den Sexualtrieb.

Eine typische Instinktreaktion bei Primaten ist aber auch die Mimik. Eine Drohung beispielsweise muss sofort - ohne nachzudenken - funktionieren.

Lob der Spontaneität

Der Pädagoge Georg Hans Neuweg von der Johannes Kepler Universität Linz beschäftigt sich seit 15 Jahren mit einem Konzept, das mit dem Begriff der Spontaneität sehr eng verwandt ist - mit dem Konzept des impliziten Wissens.

Damit ist gemeint, dass eine Person etwas macht und gut macht, ohne groß darüber nachdenken zu müssen, sie handelt spontan richtig. Neuweg hat sich gefragt, was die Meister ihres Fachs, die intuitiven Könner, von den anderen unterscheidet. Und es zeigt sich Überraschendes: Sie sind keine außerordentlich intelligenten oder schnelldenkenden Menschen. Sie können gut handeln und denken dabei sogar noch weniger als andere.

Doch besser Nachdenken?

Die Spontaneität hat auch ihre Schattenseiten. Dieses schnelle Agieren, Reagieren, das Unüberlegte, Ungewollte passiert oft so schnell, dass der eigene Wille gar nicht zum Zug kommt. Der Philosoph Walter Seitter rät daher zum Gegenteil von Spontaneität: zum Nachdenken, Reflektieren, zum Zögern.

Denn letztendlich laufen wir alle auf einen einzigen Moment und zugleich den Gipfel der Spontaneität zu: auf den Tod. Und dieser spontanen Erfahrung kann sich niemand entziehen.

Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 4. März 2009, 21:01 Uhr

Buch-Tipp
Robert Pfaller "Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft. Symptome der Gegenwartskultur", S. Fischer Verlag

Adolf Heschl, "Darwins Traum: Die Entstehung des menschlichen Bewusstseins", Wiley-VCH Verlag