Beginn in den 1930er Jahren

"Eugen Onegin" im Spiegel von Schallplatte und CD

Tschaikowskys lyrische Szenen "Eugen Onegin" haben nicht nur im Konzertsaal, sondern auch auf Bild- und Tonträgern ihren festen Platz. Von der zaristischen Ära bis in die Gegenwart. Bereits aus den 1930ern stammen die ersten Schellack-Aufnahmen.

So unübersichtlich der Tonträgermarkt in den letzten Jahren auch geworden sein mag, offizielle (Studio-)Einspielungen dieser sicher populärsten aller Opern von Peter Iljitsch Tschaikowsky lassen sich dennoch eindeutig aus dem riesigen Angebot herausfiltern. So beginnt die Aufnahmegeschichte erst relativ spät, nämlich 1937. Zwei Dirigenten sind bei dieser natürlich noch auf Schellackplatten erschienenen Aufnahme genannt, Alexander Melik-Paschajew und Alexander Orlow. An der Spitze des Ensembles des Moskauer Bolschoi-Theaters stehen Elena Kruglikova als Tatjana, Iwan Koslowsky als Lenski sowie Panteleimon Nortsov in der Titelrolle. Künstlerisch übertroffen kann diese Aufnahme kaum werden, höchstens in tontechnischer Hinsicht.

Iwan Koslowsky - legendärer Lenski

Da punktet bereits die nächste Plattenversion von 1948 höher, abermals mit dem Bolschoi-Ensemble, diesmal ausschließlich unter Alexander Orlow, abermals mit der Kruglikova und mit Koslwosky, der sich hier fast selbst übertrifft, ferner mit Andrei Iwanow in der Titelpartie und mit Mark Reizen als Gremin, der beinahe vier Jahrzehnte später als 90-jähriger in dieser Rolle noch einmal am Bolschoi aufgetreten ist und damit wohl einen einsamen Weltrekord aufgestellt hat.

Bolschoi-Primadonna: Galina Wischnewskaja

Die nächste Einspielung stammt dann bereits aus der LP-Ära, entstand 1955 in Belgrad unter Oscar Danon und mit heute kaum mehr bekannten Solisten, gefolgt von der berühmt gewordenen Aufnahme aus dem Jahr 1956 mit der jungen Galina Wischnewskaja, die während der Aufnahmesitzungen gerade im achten Monat schwanger war. Der damals schon als Veteran geltende Tenor Sergej Lemeschew - einer der großen Lieblinge des Moskauer Publikums - sang dabei den Lenski, Eugeni Bjelow den Onegin.

An der MET auf englisch

Eine besonders interessante Aufnahme wurde 1957 in New York unter Dimitri Mitropoulos aufgenommen - als Sonderausgabe für den sogenannten MET-Club. Es wird in englischer Sprache gesungen, wobei die herausragendste gesangliche Leistung ohne Zweifel Richard Tucker bietet, der trotz seiner dramatischen Stimme auch sehr lyrischer Akzente fähig ist. Nicht weniger als 13 Jahre dauerte es, bis die nächste offizielle Studio-Einspielung auf den Markt kam. Wieder bildete das Bolschoi-Ensemble die Basis, diesmal mit Mstislaw Rostropowitsch am Pult und mit seiner Frau Galina Wischnewskaja als Tatjana, die damit bereits ihre zweite Onegin-Aufnahme bestritten hat; nur wenige Jahre später hat das Ehepaar dann die Sowjetunion verlassen (müssen).

Die 1970er Jahre

1974 hat schließlich Sir Georg Solti "Eugen Onegin" in London eingespielt. Mit einem internationalen Ensemble u. a. mit Teresa Kubiak, Stuart Burrows, Bernd Weikl und Nicolai Ghiaurov. 1979 folgte Mark Ermler, abermals in Moskau, mit Juri Masurok, dem man noch in mehreren anderen Aufnahmen als Titelheld begegnen kann, ferner mit Tamara Milaschkina, Wladimir Atlantow und Jewgenij Nesterenko.

Bekannte Namen

In den 1980er Jahren haben schließlich James Levine in Dresden und der jung verstorbene Karajan-Schüler Juri Tchakarov in Sofia "Eugen Onegin" aufgenommen, wobei hier als Solisten vor allem Mirella Freni und Neil Shicoff (bei Levine) und Anna Tomowa-Sintow und Nicolai Gedda (bei Tchakarov) zu erwähnen wären. Aus den 1990er Jahren stammen schließlich die letzten Studio-Einspielungen: unter Semyon Bykov mit Dimitri Hvorostovsky in der Titelpartie, unter Charles Mackerras (auf englisch!) mit Kiri te Kanawa und Thomas Hampson sowie mit Nicolai Gedda diesmal als Triquet; und den Schlusspunkt der offiziellen Onegin-Diskographie setzt schließlich eine Aufnahme der Staatsoper von Novosibirsk aus dem Jahr 1996 unter dem ukrainischen Dirigenten Samuel Friedmann.

Für Connaisseurs

Das tatsächliche Angebot aber ist weitaus vielschichtiger: da gibt es jede Menge Mitschnitte (auch inoffizielle), aber auch solche, bei denen die Schutzfrist schon abgelaufen ist und die daher legal vertrieben werden können. Das beginnt bei einem Film-Soundtrack aus dem Jahr 1936, den die sowjetische Staatsfirma "Melodyia" bereits in den 1970er Jahren auf LP herausgebracht hat, geht über Mitschnitte aus der MET, Rundfunkaufnahmen aus Hamburg (mit Jurinac und Schock), aus München (mit Dermota und London), aus Mailand (mit Carteri, Valletti und Taddei) bis zu brandneuen DVD-Veröffentlichungen (mit Fleming etc.) Dazu kommen noch unzählige Einzelaufnahmen, von der Walze bis zur CD, von den legendären Künstlern der zaristischen Ära über Caruso bis zu Ljuba Welitsch (mit ihrer unübertroffenen Briefarie) und natürlich auch zu Placido Domingo, der zumindest die Arie des Lenski aufgenommen hat und auf dieser CD außerdem andere Werke von Tschaikowsky dirigiert.

Hör-Tipp
Peter Iljitsch Tschaikowsky, "Eugen Onegin", Übertragung aus der Wiener Staatsoper, Samstag, 7. März 2009, 19:00 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at