Der junge Kleiber und eine halbe Traumbesetzung
Legendäre "Rosenkavalier"-Aufnahmen
"Der Rosenkavalier" mit Carlos Kleiber, in Otto-Schenk-Regie, mit fabelhaftem Sängerensemble, gehörte ab den 1970er Jahren zu den Schmuckstücken der Bayerischen Staatsoper. Heute gibt in München Christian Thielemann den Strauss-Ton an, auch auf CD.
8. April 2017, 21:58
Kleibers "Rosenkavalier" aus dem Jahr 1973
Richard Strauss in München, das bedeutete Jahre, Jahrzehnte lang: Wolfgang Sawallisch am Dirigentenpult der Bayerischen Staatsoper, in der Nachfolge von Joseph Keilberth. "Rosenkavalier" in München allerdings bedeutete: Carlos Kleiber. Keine Oper hat der Genialische so oft dirigiert, und wie so oft auf den Spuren seines Vaters, Erich Kleiber, der in den 1950er Jahren in Wien mit den Philharmonikern eine legendär gewordene "Rosenkavalier"-Gesamtaufnahme eingespielt hat.
Wer nicht selbst in den Münchner Aufführungen war, bekam über Carlos Kleibers Interpretation Wunderdinge erzählt. Einmal - 1979 - hielten TV-Kameras das Ereignis fest, viel zu selten auf den Dirigenten gerichtet, aber zum Logischsten, nämlich für die Strauss-Oper ins Plattenstudio zu gehen, konnte Carlos Kleiber, der Schwierige, nicht überredet werden.
Legale Veröffentlichung
Die Kleiber-Erben haben jetzt einen der aus der Münchner Oper existierenden "Rosenkavalier"-Audio-Mitschnitte zur legalen Veröffentlichung freigegeben: Manna für Kleiber-Fans, sofern sie sich die Aufnahme von den Münchner Opernfestspielen 1973, ein Jahr nach der Premiere der Otto-Schenk-Inszenierung, nicht "unter der Hand" längst beschafft haben.
Der "tönende Schnappschuß voller Spontaneität", wie "Die Presse" urteilte, bietet auch "Rosenkavalier"-Glück - über weite Strecken, aber nicht vom ersten bis zum letzten Takt. Silbrig-feiner als bei Lucia Popp klang Sophie nie, ungezwungen burschikoser als bei Brigitte Fassbaender kann kein Octavian sein, Karl Ridderbusch als gewiß nicht "wienerischer" Baron Ochs auf Lerchenau hält mit, auch er gerade nicht zu nobel und nicht zu ordinär. Eine herbe Enttäuschung ist allerdings die Marschallin der der Münchner Oper eng verbundenen Claire Watson, drei Jahre vor ihrem Bühnenabschied.
Die ideale Video-Version des "Rosenkavalier"
So bleibt am Ende doch die Video-Version (sie ist mittlerweile auf DVD greifbar) die beglückendere: Auch Gwyneth Jones, 1979 längst im schwersten Wagner-Fach angekommen, tritt als betont jugendliche Marschallin mit Schärfen in der Stimme an, aber man kann darüber hinwegsehen. Lucia Popp und Brigitte Fassbaender sind der Aufführung in aller Glorie erhalten geblieben, und der österreichische Bassist Manfred Jungwirth, der schon Georg Soltis Schallplatten-Lerchenauer war, hat die Rolle - mit allen sprachlichen Delikatessen - im Blut und dazu natürliche stimmliche Autorität.
Dazu die paar Kameraeinstellungen von Carlos Kleiber am Pult: Dirigierkunst von höchster Ästhetik - von seinem Elan, seinem Klangsinn, seiner Detailbesessenheit ganz zu schweigen.
Renée Fleming und Christian Thielemann
Anfang dieses Jahres ist der "Rosenkavalier" am Programm von Christian Thielemann gestanden: Es gab szenische Aufführungen, in der alten Salzburger Herbert-Wernicke-Inszenierung, im Festspielhaus Baden-Baden, und ein Konzert in Paris. Thielemann kam mit "seinen" Münchner Philharmonikern, die an sich kein Opernorchester sind, mit dem "Rosenkavalier" aber eine der Oper gewidmete und ab 2011 auf einen kompletten "Ring des Nibelungen" zusteuernde "Residenz" in Baden-Baden antraten.
Auf der Bühne: eine Sophie "mit drahtseilsicheren Spitzentönen", Diana Damrau, ein emphatischer Octavian, Sophie Koch, ein überforderter Ochs, Franz Hawlata, und eine "Diva" als Marschallin, Renée Fleming.
Strauss-CD
Für ein reines Richard-Strauss-Recital ist Renée Fleming auch im April des Vorjahres in der Münchner Philharmonie am Gasteig vor den Mikrophonen gestanden. Rund um die von den Münchner Philharmonikern unter Christian Thielemanns Leitung bis in die letzten Verästelungen ausgekosteten "Vier letzten Lieder" gruppieren sich ausgewählte Orchesterlieder und Ausschnitte aus zwei Opern, in denen die amerikanische Sopranistin trotz ihrer Strauss-Vorliebe noch nicht auf der Bühne zu erleben war, "Ariadne auf Naxos" und "Die ägyptische Helena": Gefühlvoll, raffiniert, bei Bedarf sexy, manchmal "primadonnig", mit den für Renée Fleming typischen Wortklang-Verfärbungen. In weiteren 30 Jahren "legendär"?
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 19. März 2009, 15:06 Uhr
CD-Tipps
Richard Strauss, "Der Rosenkavalier", Watson, Fassbaender, Popp, Ridderbusch, Dir.: Carlos Kleiber, Bayerische Staatsoper 1973, Orfeo d'Or 581 083 D
Strauss-Recital Renée Fleming, Münchner Philharmoniker, Christian Thielemann, CD Decca 0028947810742
DVD-Tipp
Richard Strauss, "Der Rosenkavalier", Jones, Fassbaender, Popp, Jungwirth, Dir.: Carlos Kleiber, Bayerische Staatsoper 1979, DVD-VIDEO DG 0730089