Ein Pionier globalisierten Wissens
Darwins Vorbild
Von 1799 bis 1804 reiste Alexander von Humboldt durch Mittel-, Süd, und Nordamerika. Er beobachtete und vermaß beinahe alles, was ihm auf seinem Weg begegnete und legte damit einen wesentlichen Grundstein für die neuere Naturwissenschaft.
8. April 2017, 21:58
Humboldt war 30 Jahre alt und dank des Erbes seiner Mutter nach heutigem Maßstab Millionär, als er die Reise antrat, die ihn berühmt machen sollte. Er wollte die Welt kennenlernen und Naturforschung betreiben - und die spanischen Kolonien Mittel-und Südamerikas schienen ihm am Ende des 18. Jahrhunderts der beste Ort, dieses Ziel zu verfolgen.
So reiste Humboldt gemeinsam mit dem Botaniker Aimé Bonpland von Spanien über die Kanarischen Inseln an die venezolanische Küste. Von dort ging es entlang eines der längsten Flüsse Südamerikas, des Orinoko, weiter ins Landesinnere. Die strapaziösen Details der Reise neben dem und am Orinoko sind in Humboldts Tagebüchern ebenso festgehalten wie die anschließende Fahrt nach Kuba, die Überquerung der Anden, der Aufenthalt in Peru und schließlich die Heimreise nach einem Besuch in Mexiko und den Vereinigten Staaten.
Auf Humboldts Spuren
In seinem veröffentlichten Reisebericht findet sich nur ein kleiner Teil davon wieder, nämlich der Anfang der Reise bis Venezuela. Seiner Unvollendetheit und seines etwas sperrigen Titels zum Trotz: Das Buch "Die Reise in die Äquinoktialgegenden des Neuen Kontinents" war ein Erfolg und eine Inspirationsquelle für Generationen nachfolgender Naturforscher.
Speziell in einem säte es den unbändigen Wunsch, die Tropen zu sehen: Charles Darwin bekam Humboldts Buch als Student in die Hände und war augenblicklich fasziniert. Als wenig später das Angebot eintraf, als Gentleman-Begleiter Kapitän Robert FitzRoy auf seiner Vermessungsreise an Bord der Beagle Gesellschaft zu leisten, war Darwin sofort Feuer und Flamme: er würde auf Humboldts Spuren um die Welt reisen.
Daraus wurde zwar nichts. Schon die erste Station der Reise Humboldts, die Kanarischen Inseln, musste die Beagle und mit ihr Charles Darwin wegen einer Cholera-Epidemie auslassen und ab da folgte das englische Vermessungsschiff einem anderen Kurs als gut 30 Jahre zuvor der deutsche Naturforscher.
Pflanzengeographie, Erdmagnetismus uns Isothermen
Humboldts Buch allerdings begleitete Darwin die ganze Zeit, und als er 1839 seinen eigenen Reisebericht "Die Fahrt Der Beagle" veröffentlichte, schickte er ein Exemplar davon an sein großes Vorbild nach Sanssouci bei Potsdam.
Alexander von Humboldt antwortete einige Monate später, im Original auf französisch: "Sie sagen mir in Ihrem freundlichen Brief, dass meine Art, die Natur der heißen Zonen zu studieren und zu zeichnen, dazu beitragen konnte, in Ihnen den Eifer und das Verlangen nach weiten Reisen zu entfachen. Nach der Wichtigkeit Ihrer Arbeit wäre das der größte Erfolg, den meine schwachen Arbeiten erreichen konnten. Die Werke sind nur so gut, soweit sie bessere entstehen lassen."
Alexander von Humboldt hatte beobachtet und gemessen, soviel er konnte. Dass das allerdings erst das Ausgangsmaterial für die eigentliche wissenschaftliche Arbeit und Erkenntnis wäre, war ihm selbst bewusst.
Die tatsächlichen wissenschaftlichen Meriten seines eigenen Tuns verortete er vor allem in drei Gebieten: er zeigte, dass das Pflanzenwachstum von der Meereshöhe, der Bodenbeschaffenheit und den klimatischen Bedingungen abhängig ist und begründete damit die Pflanzengeographie; er erforschte den Erdmagnetismus; und er erkannte die Isothermen, Linien gleicher Temperatur, die sich über den Globus ziehen.
Die erste Reise verschlang das gesamte Vermögen
Auf seiner fünfjährigen Reise hat Alexander von Humboldt nahezu sein gesamtes ererbtes Vermögen aufgebraucht. Als er nach Berlin zurückkehrte, brauchte er ein Einkommen und trat in die Dienste des preußischen Königs. Für seine späteren Reisen benötigte er jeweils Financiers, nie wieder sollte er so frei und ungebunden unterwegs sein wie in Lateinamerika.
Wie später auch Charles Darwin, war Humboldt abgestoßen vom Sklavenhandel und seinen Folgen, denen er unterwegs immer wieder begegnete. Aus dieser Einstellung machte er weder auf seiner Reise noch in den Veröffentlichungen danach einen Hehl. Das war ein weiterer Vorteil davon, unabhängig unterwegs zu sein. Später, wie beispielsweise bei seiner vom Zaren finanzierten Russland-Reise, musste Humboldt die gesellschaftspolitischen Beobachtungen seiner Reisen für sich behalten.
Schwer zu entziffern
Den Erdball umspannende wissenschaftliche Untersuchungen hielt er auch von Berlin aus stets aufrecht - per Post. Viele der Briefe Humboldts sind, ebenso wie seine Reisetagebücher, erhalten und werden heute im Schloss Tegel aufbewahrt. Für ihre Entzifferung brauchen allerdings auch Spezialisten einige Erfahrung.
"Ich bitte tausendmal um Entschuldigung für die Länge dieses Briefes und die Unleserlichkeit meiner hieroglyphischen Schrift." heißt es denn auch gegen Ende von Humboldts Brief an Charles Darwin, "Ich habe eine große Schwäche im rechten Arm aus den Wäldern am Orinoko davongetragen, zweifellos dadurch, dass ich mehrere Male auf einem Boden von toten und ständig feuchten Blättern gelagert habe."
Mehr zu Alexander von Humboldt in science.orf.at
Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 6. Mai 2009, 19:05 Uhr
Buch-Tipp
Alexander von Humboldt, "Mein vielbewegtes Leben. Der Forscher über sich und seine Werke", herausgegeben von Frank Holl, Eichborn Verlag
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