Eingeschränkte Meinungsfreiheit
Wie das World Wide Web zensiert wird
Vergangene Woche machte China im Internet wieder mal die Schoten dicht. Mit dieser Maßnahme wollte die chinesische Regierung rechtzeitig zum 20. Jahrestages des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens, das Gedenken daran verhindern.
8. April 2017, 21:58
Anlässlich des 20. Jahrestages des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens sperrte die chinesische Regierung wieder einmal viele Internetseiten und Suchmaschinen. Die Zensur von Medien und Internetangeboten in China ist nichts neues, sondern gehört zum Alltag. Im Ausland spricht man deshalb bereits von der "Great Firewall of China".
Doch China ist nicht das einzige Land, das seinen Bürgern freien Internetzugang verwehrt. Die französische NGO "Reporter ohne Grenzen", die weltweit Meinungs- und Pressefreiheit verteidigt, veröffentlicht jedes Jahr eine Liste von sogenannten Internetfeinden. In diese Kategorie fallen Länder, die ihren Bürgern nachweislich Zugang zu politischen Informationen verwehren und freie Internetkommunikation verhindern. 15 Länder befinden sich aktuell auf der Liste. Darunter neben China auch Staaten wie Nordkorea, Vietnam, Saudi- Arabien, Ägypten oder der Iran.
China auf Platz eins mit dem Iran
"China ist eines der Länder, welches das Internet am ausgefeiltesten kontrolliert", sagt Clothilde Le Coz. Sie ist Internetexpertin bei "Reporter ohne Grenzen". "Doch China ist noch lange nicht das einzige Land."
Jedes Jahr veröffentlicht die Nichtregierungsorganisation zwei verschiedene Listen. Reporter ohne Grenzen unterscheidet zwischen Ländern, die das Internet überwachen und partiell zensieren und jenen 15 Ländern, die für Reporter ohne Grenzen als Internetfeinde gelten.
"Zwei Kriterien entscheiden ob ein Land in die Liste der sogenannten Internetfeinde aufgenommen wird. Einerseits das Ausmaß mit dem die Regierung eines Staates das Internet filtert und zensiert. Andererseits die Tatsache, dass Blogger in diesem Land von offiziellen Stellen eingeschüchtert, teilweise auch verhaftet werden. China teilt sich in unserer Liste Platz eins mit dem Iran."
Im Iran ist "Reporter ohne Grenzen" mit einer Gruppe von Frauen in Kontakt, die fünf Mal pro Monat vorgeladen werden, erzählt Clothilde le Coz. Die Bloggerinnnen müssen vor Gericht Rede und Antwort stellen, warum sie im Internet aktiv sind und dort publizieren.
Die einfachste Zensurmethode: Man hat kein Internet
Einige Länder gehören zu den Internetfeinden schlicht und einfach, weil sie kein Internet haben.
"Nordkorea oder Turkmenistan gehören zu den Ländern, die man auf unserer Liste findet, weil die Bevölkerung dort keinen Internetzugang hat. Der Grund dafür ist kein technisches Problem, sondern eine politische Entscheidung. Die Machthaben wollen das Land isolieren. Generell haben in diesen Ländern nur Diplomaten und Regierungsmitglieder Internetzugang. Aber als einfacher Turkmene oder Nordkoreaner kennt man das Internet eigentlich nur vom Hörensagen, " meint Clothilde Le Coz.
Weltweit mehr als 80 Blogger im Gefängnis
Internetzensur -und Überwachung sind weltweit auf dem Vormarsch, konstatiert Clothilde Le Coz. Geblockte Seiten oder zensierte Suchmaschinen gehören da zum Alltag. Am meisten hätten allerdings Blogger unter den Zensurmaßnahmen zu leiden. Derzeit befinden sich weltweit ca. 80 Blogger, hinter Gittern. Diese Zahl ist jedenfalls Reporter ohne Grenzen bekannt.
Besonders harsch gehen, neben China und dem Iran, Länder wie Ägypten, Kuba, Syrien und Vietnam gegen unbequeme Netzautoren vor. Es reicht bereits, wenn man sich über die Wachhunde des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad lustig macht, sagt Clothilde le Coz. Besonders politische und religiöse Äußerungen dulden viele Staaten in ihrer Blogosphäre nicht. Die Nachricht von verhafteten oder gefolterten Bloggern hätte eine psychologische Wirkung auf andere Blogger. Viele fühlen sich davon eingeschüchtert und zensieren sich gleich selbst.
"Ägypten ist da ein gutes Beispiel. 2005 als der Blogger Kareem Amer festgenommen wurde, hat das vielen Leuten in Ägypten, aber auch in anderen Ländern Angst gemacht. Ein Jusstudent, der seine Professoren und den Regierungspräsidenten kritisiert, so einen gibt’s täglich, in Frankreich oder Österreich. In Ägypten veröffentlicht er die Kritik in seinem Blog und landet dafür vier Jahre im Gefängnis."
Zensur im Internet nimmt zu
Trotz internationaler Proteste und Interventionen ist der ägyptische Student Kareem Amer bis heute immer noch im Gefängnis. Es habe allerdings seit seiner Verhaftung, in Ägypten, keine weiteren Festnahmen gegeben, sagt Clothilde Le Coz. Und das Land habe immerhin eine der aktivsten Blogosphären im Nahen Osten. Ägypten will mit Kareem ein Exempel setzen und Angst machen, ist Le Coz überzeugt.
Die Internetexpertin ist beunruhigt, was die Zukunft anbelangt: die Zahl der verhafteten Blogger nimmt zwar nicht zu. Dafür aber der Aufwand, den viele Staaten in die Kontrolle des WorldWideWeb stecken. Und das bedeutet ein Aus für die Meinungs- und Pressefreiheit in diesen Ländern.
Hör-Tipp
Digital.Leben, Montag bis Donnerstag, 16:55 Uhr
Link
Reporter ohne Grenzen - Österreich