Das Urheberrecht im Internet

Zahlen fürs Saugen

Die Film- und Musikindustrie sieht in Tauschbörsen-Nutzern Piraten, die sich im Netz kostenlos Kulturgüter unter den Nagel reißen. Klagen gegen Tauschbörsen und Kriminalisierung der User führten allerdings bisher nicht zu höherer User-Moral.

Auf der Suche nach neuen Modellen, wie Kreative und Rechteinhaber in Zukunft ihre Einnahmen sichern können, wird in letzter Zeit der Ruf nach einer Kulturflatrate immer lauter. Internetprovider heben eine zusätzliche monatliche Pauschale ein, und die User dürfen nach Herzenslust herunterladen - ganz legal.

Wie alles begann

1998 bastelte der amerikanische Student Shawn Fanning mit Spitznamen Napster ein Programm, das mit Hilfe eines zentralen Verwaltungsservers im Internet die Musik auf den Computern der Internetuser gegenseitig nutzbar machte. Die erste File-Sharing Tauschbörse war geboren.

Drei Jahre später, Fanning hatte sein Studium geschmissen und war längst Millionär, hatte Napster 80 Millionen Nutzer weltweit, und Milliarden von Musik- und Filmdateien geisterten täglich durch das Netz. Napster musste zwar 2001 nach einer Milliardenklage der Musikindustrie das Handtuch werfen. Doch längst sind andere Tauschbörsen an seine Stelle getreten, die ganz ohne zentrale Server auskommen.

Pauschale als Ausweg

Das Problem an der Geschichte: durch die File-Sharing Tauschbörsen werden die Urheber und ihre Verwerter um ihre Einnahmen geprellt, da die Bits und Bytes im Netz nun mal nichts kosten, sagt der deutsche Medienwissenschaftler Volker Grassmuck.

Den Ausweg aus dieser Zwickmühle sieht er in der Kulturflatrate, einer monatlichen Pauschale, mit der man völlig legal und kostenlos Filme oder Musik aus dem Internet herunterladen kann.

"Jeder, der einen Internetanschluss müsste im Monat einen zusätzliche Gebühr an seinen Internetprovider bezahlen. Das Geld würde über Verwertungsgesellschaften an die Urheber ausgezahlt werden." Je nach Modell schwankt die Gebühr derzeit zwischen einem und zehn Euro pro Monat.

Welcher Künstler wie viel von dem Geld bekommt, könnte zum Beispiel danach berechnet werden, wie oft ein Angebot heruntergeladen wird. So würden auch kleine Bands ohne Plattenlabel eine bessere Chance bekommen, mit ihrer Musik Geld zu verdienen.

Vorbild Leermedienvergütung

Das Problem der massenhaften Urheberrechtsverletzungen ist übrigens nicht neu, sagt Volker Grassmuck. Denn bereits in den 1950er Jahren stand man in Europa vor einem ähnlichen Dilemma. Zum ersten Mal wurde es in Privathaushalten möglich, mithilfe des Tonbandgerätes Musik zu kopieren. Das rief die Verwertungsgesellschaften auf den Plan, die gegen den Verlust von Einnahmen protestierten, sagt Volker Grassmuck.

Der Gesetzgeber regierte auf die Proteste pragmatisch. Er beschloss zuzulassen, was in tausenden Haushalten passierte und ohne schwere Eingriffe in die Privatsphäre nicht zu kontrollieren war. Allerdings führte er eine Vergütung für die entgangenen Einnahmen der Verwertungsgesellschaften ein: eine Pauschalvergütung, die bis heute im Kaufpreis von Kopiergeräten und Leermedien wie Tonbändern oder CDs inkludiert ist. Das gleiche Modell bietet sich auch für die Lösung des Tauschbörsenproblems an, ist Grassmuck überzeugt.

Vieles noch ungeklärt

Was in der Theorie recht einfach klingt, sorgt in der Praxis für heftige Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern der Kulturflatrate. Denn es sind noch zu viele Fragen offen: Was ist etwa mit Leuten, die gar nichts herunterladen? Oder wie werden die zusätzlichen Einnahmen gerecht an die Urheber verteilt? Ist die Kulturflatrate nach bestehender Gesetzeslage überhaupt legal?

Alles wichtige Fragen, die natürlich geklärt werden müssen, meint der Medienforscher. Doch er bleibt zuversichtlich. Schließlich sei die gegenwärtige Situation, in der File-Sharing-Börsen verteufelt und die größten Musik- und Filmfans von der Industrie kriminalisiert werden, keine Dauerlösung.

Erste Anzeichen für ein neues Bewusstsein

Ein Anzeichen für ein Umdenken der Musikindustrie, bisher eine der härtesten Gegnerinnen der Kulturflatrate, gibt es bereits. Vor ein paar Wochen kündigten etwa die britische Provider Virgin Media und der Medienkonzern Universal Music ihren Kunden einen neuen Musikdienst an. Gegen Bezahlung einer Monatspauschale bekommen die Kunden Zugang zum Gesamtkatalog der Majors und können herunterladen, was sie wollen. Und auch beim Mobiltelefonhersteller Nokia kann man gegen eine Pauschale seit einem guten halben Jahr legal Musiktitel downloaden.

Auf die Frage, wie er die Entwicklung in naher Zukunft sieht, antwortet Volker Grassmuck vorsichtig. Da müsse er erst mal seine Kristallkugel putzen, meint er verschmitzt. Aber ganz im Ernst sieht er keine Alternative zur Kulturflatrate. Was es brauche, sei ein neuer Gesellschaftsvertrag, der den Menschen einen breiten Zugang zu Kultur im Internet ermöglicht, die kulturelle Vielfalt sichert und die Urheber gerecht vergütet.

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 28. Juni 2009, 22:30 Uhr

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