Glück und Abhängigkeit
Rausch und Risiko
In Extremsituationen schützt der Rausch den Menschen vor allzu großer Angst, in Momenten des Glücks sorgt er für Euphorie. Er erweitert die Wahrnehmungsfähigkeit, inspiriert, steigert die Leistungsfähigkeit. Oder ist Zeichen zu großen Alkoholkonsums.
8. April 2017, 21:58
Rausch - in keiner anderen Sprache hat das Wort so viele unterschiedliche Bedeutungen wie im Deutschen. Die rauschende Ballnacht und der rauschende Gebirgsbach haben etwa so viel gemeinsam wie das Vorbeirauschen des Verkehrs mit dem Rauschen der Blätter im Wind. Machtrausch, Geschwindigkeitsrausch und Blutrausch beschreiben nicht nur innere Zustände Einzelner - sie haben oft auch dramatische Auswirkungen auf ein Kollektiv oder ganze Gesellschaften.
Verändertes Zeitgefühl und Halluzinationen
Ein Rausch entsteht, wenn sich die Chemie im Gehirn verändert. Unter dem Einfluss von Hormonen, vor allem Endorphinen, kommt es zu einer veränderten Wahrnehmung der Umwelt. Verschwommenes Sehen, das unter Einfluss von Alkohol zu beobachten ist, ein verändertes Zeitgefühl oder optische und akustische Halluzinationen sind Phänomene, die den Berauschten im wahrsten Sinne des Wortes in den Wahn-Sinn treiben können.
Rauschzustände ohne Drogen
Rauschzustände entstehen im menschlichen Körper auch ohne Drogen wie Alkohol, Narkotika, Opiate oder Amphetamine. In Extremsituationen schützt der Rausch den Menschen vor allzu großer Angst, in Momenten des Glücks und der Ekstase sorgt er für Euphorie.
Wer ausgiebig joggt, über längere Zeit fastet oder sich im Bungee Jumping probiert, kennt den Rausch ebenso wie christliche Mystiker und Schamanen. Rauschzustände sind Teil des Ritus von Naturreligionen, deren Sinnstiftung oft in Grenzerfahrungen wurzelt.
Der Rausch führt auch zur Bewusstseinserweiterung
Der Rausch erweitert die Wahrnehmungsfähigkeit, inspiriert, steigert Kreativität und Leistungsfähigkeit. Kein Wunder, dass viele Künstler und Künstlerinnen zu bewusstseinserweiternden Substanzen greifen, um ihre Muse zu beflügeln. Jedoch: "The higher you fly, the faster you fall" sang Laurie Anderson gemeinsam mit dem für seine Drogenexzesse berüchtigten William Borroughs.
Die Liste der Künstler, die unter Drogeneinfluss arbeiteten, ist lang. Wir finden darin Vincent van Gogh (Alkohol, Digitalis), Henri Toulouse-Lautrec (Absinth), Richard Strauss (Kokain), Joseph Roth (Alkohol), Jean Cocteau (Opium), Allen Ginsberg (Marihuana, Alkohol, LSD), Lou Reed (Heroin) und Bob Marley (Marihuana).
Verbotene Rauschmittel
Das Tabu, mit dem verbotene Rauschmittel belegt sind, gefährdet die meist jugendlichen Konsumenten und Konsumentinnen, da es über Risiken zu wenig Aufklärung gibt. Der Kontakt mit der Drogenszene führt oft zu Experimenten mit suchterregenden Substanzen.
Viele Drogen werden hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit unterschätzt - allen voran der Alkohol. Das Glas Prosecco bei der Firmenfeier, der Wein zum Essen, das Bier nach dem Sport und der Schnaps auf der Skihütte erscheinen uns selbstverständlich.
Ist eine rauschfreie Gesellschaft wünschenswert?
Die negativen Eigenschaften der beliebtesten Droge der Österreicher (der Verzicht auf gendergerechte Sprache ist Absicht) werden jedoch drastisch unterschätzt. In Österreich leben 300.000 Alkoholabhängige und noch einmal doppelt so viele Menschen, die als gefährdet gelten, alkoholsüchtig zu werden.
Ein wesentlicher Aspekt im Umgang mit Rauschmitteln muss daher die Risikominimierung sein, denn die rauschfreie Gesellschaft ist eine Utopie. Aber wäre sie dies nicht - sollten wir sie uns wirklich wünschen?
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 27. Juli bis Donnerstag, 30. Juli 2009, 9:05 Uhr