Eine Stimme mit dunklem, vollem Glanz

Finnischer Hüne auf der Opernbühne

Er war über zwei Meter groß, wog 140 Kilogramm und war in seiner Jugend finnischer Meister im Schwergewichtsboxen: Martti Talvela. Er war einer der bedeutendsten Boris-Godunow-Interpreten der Welt. Am 22. Juli jährt sich sein Todestag zum 20. Mal.

Martti Talvela, geboren am 4. Februar 1935 in Hiitola in Ostkarelien (Finnland), war das achte von zehn Kindern. Er beschloss, eine Lehrerlaufbahn anzustreben und war bereits im ersten Berufsjahr, als eine Aufführung von Mussorgskis "Boris Godunow" ihn so beeindruckte, dass er plötzlich auch selbst Sänger werden wollte und am Konservatorium von Lahti eine Gesangsausbildung begann. Keine zwei Jahrzehnte später zählte Talvela selbst zu den bedeutendsten Boris-Interpreten der Welt.

Von Stockholm in die Welt

1960 gewann er den Vaasa-Wettbewerb, wurde aber dennoch nicht an die Oper von Helsinki engagiert. Er ging dann nach Stockholm, setzte sein Studium beim Tenor Carl Martin Oehman fort - dem einstigen Lehrer von Jussi Björling und Nicolai Gedda - und wurde schließlich an die Königliche Oper engagiert, deren Chef damals ebenfalls ein legendärer Tenor gewesen ist: Set Svanholm, in den 1940er Jahren der große Schwarm vor allem des weiblichen Wiener Publikums.

Von Stockholm holte Wieland Wagner den damals 27-Jährigen nach Bayreuth, gleichzeitig erhielt er ein Engagement an die Deutsche Oper Berlin, und das bedeutete auch schon den Start in die internationale Karriere.

Gesundes Selbstbewusstsein

1963 begegnen wir Martti Talvela bereits an der Mailänder Scala, 1965 debütierte er an der Wiener Staatsoper, 1968 an der MET. Vereinnahmen ließ er sich trotzdem nie. Es gebe nur einen Gott, ließ er verlauten, und Intendanten und Dirigenten seien keine Götter.

Selbst Karajan hat Talvela die Stirn geboten, mit der Begründung, sich nicht behandeln zu lassen "wie ein angeheuerter Knecht." Und die Opernwelt schien gänzlich aus den Fugen zu geraten, als Talvela plötzlich beschlossen hat, den Sommer nicht mehr in Bayreuth oder bei sonstigen Festspielen zu verbringen, sondern in seiner finnischen Heimat: "So sehr wie das Singen brauche ich meine Seen und die Wälder. Ich möchte fischen und als Bauer arbeiten. Was ich kaum ertragen kann, ist das ständige Reisen, das Leben in Hotels."

"Savonlinna"

Überhaupt war die Verbundenheit zu seiner Heimat ein zentraler Wesenszug seines Charakters. So übernahm er Anfang der 1970er Jahre die Leitung der Opernfestspiele von Savonlinna, die zwar schon am Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet worden waren, dann aber jahrzehntelang vergessen waren, ehe 1967 ausgerechnet Peter Klein, der lange Zeit in Wien ansässige Charaktertenor und Pädagoge, die Idee hatte, mit seinen (finnischen) Schülern in der Burg von Savonlinna "Fidelio" aufzuführen.

Das war quasi der Startschuß zur Wiederbelebung der heute international anerkannten Festspiele, die Martti Talvela dann zu ihrer ersten Blüte geführt hat.

Opernland Finnland?!

Talvela hat auch für das zeitgenössische finnische Opernschaffen Bedeutendes geleistet. Insbesondere durch seine Mitwirkung bei der Uraufführung von Joonas Kokkonens "Die letzten Versuchungen". 1975 hat in Helsinki die Premiere stattgefunden, mit Martti Talvela in der Hauptrolle, einer historischen Figur aus der Geschichte Finnlands: einem charismatischen Prediger am Beginn des 19. Jahrhunderts.

Inzwischen gilt das Werk als finnische Nationaloper. Und auch zum Zeitpunkt von Talvelas so plötzlichem Tod hatte er eine große Vision vor Augen. 1992 sollte er die Leitung der neueröffneten Nationaloper in Helsinki übernehmen, allein das Schicksal wollte es anders. Martti Talvela starb am 22. Juli 1989 an einem Herzinfarkt - just am Vorabend der Hochzeit seiner ältesten Tochter.

Der in aller Welt gefeierte Opernstar, der allerdings auch zum Lied eine große Affinität hatte, wurde gerade einmal 54 Jahre alt - in der Regel die fruchtbarste Zeit für eine Bassstimme.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 21. Juli 2009, 15:06 Uhr